Music Unlimited

Wels

Von Holger Pauler. Music Unlimited im österreichischen Wels gehört mittlerweile zu den etablierten Festivals im deutschsprachigen Raum. Wobei etabliert eher auf die Ausdauer als auf das Programm zutrifft. Die 32. Auflage überzeugt wieder mit etlichen Newcomern und jung gebliebenen „Stars“ der Avantgarde. Inklusive der Solo-Sets, die in den Pausen des Hauptprogramms in einem kleinen Saal stattfinden und nicht so recht in die Dramaturgie passen, gibt es 22 Konzerte an drei Tagen. Neuentdeckung wie die Harmolodics-Adepten der New Yorker Cp Unit oder die elektroakustische Großformation Pinata teilen sich die Bühne des Schl8chthofs mit bekannten Acts wie dem Highspeed-Trio Pulverize the Sound oder dem Fire! Orchestra – diesmal mit einem neuen, fast revueartigen Programm.

© Eckhart Derschmidt

Punkt.Vrt.Plastik legen gleich zum Auftakt die Messlatte sehr hoch: Kaja Draksler (p), Petter Eldh (b) und Christian Lillinger (dr) zeigen eine Lehrstunde in Präzision und Interaktion. Die Stimmen ergänzen sich perfekt: Die Wege sind verschlungen, Rhythmen und Takte werden variiert und kombiniert, doch am Ende des Weges trifft man sich immer wieder zum gemeinsamen Schlussakkord. Die Trompeterin Jaimie Branch kann mit ihrem Quartett Fly or Die das Niveau nur teilweise halten. Die Gruppe wechselt entspannt zwischen den verschiedenen Spielarten des Jazz. Selbst die Übergänge sind perfekt aufeinander abgestimmt – auch da, wo sich Melodie und Metrik auflösen. Dass Branch nicht immer den richtigen Ton trifft und Bassist Chad Taylor mitunter im Tempo etwas hinterherhängt, trübt den Gesamteindruck allerdings etwas.

Exemplarisch für die Wiener Szene steht die Pianistin Ingrid Schmoliner. Im Duo mit Hamid Drake (dr) zeigt sie, dass unterschiedliche Konzepte kombinierbar sind: Oberton-Jodler treffen auf spirituellen Gesang, präpariertes Klavier auf die Frame Drum. Schmoliner spielt minimalistische Patterns, die sie minutenlang wiederholt, variiert und auflöst, während Drake oft frei metrisch darauf reagiert. Ein gelungenes Experiment. Das Quintett Reasons for Moving mit Darren Johnston (tp), Fred Frith (g), Larry Ochs (s), Sébastien Jeser (b) und Samuel Dühsler (dr) liefert anschließend den Kontrapunkt: Die Basis bilden Cluster und Patterns. Die Musiker haben jederzeit die Möglichkeit, einzusteigen und sich wieder zurückzuziehen. Soli und Duette verkommen dabei nie zum Selbstzweck, sondern sind Teil der Kollektivimprovisation. Der Auftritt zeigt, dass frei improvisierte Musik – beim Wort genommen – auch nach vielen Jahrzehnten nichts von ihrer Faszination eingebüßt hat.

Zu sagen haben sie in Wels auch immer etwas zur politischen Lage. Die Stadt ist gleich dreifach gestraft, da sowohl in der Kommune und im Bundesland Oberösterreich als auch im Land die „Freiheitlichen“ mitregieren. Die Bühnendeko „Des Kanzlers neue Kleider“ kann so als sarkastischer Kommentar zur Lage der Nation verstanden werden: Verwaschene Hemden in allen möglichen und unmöglichen Farben. Im Vorwort zitieren die Veranstalter Worte, die sie bereits zum 14. Music Unlimited im Jahr 2000 geschrieben haben: „Wir finden uns heute wieder in einem Land, dessen Klima vergiftet ist und dessen Gesellschaft zusehends polarisiert und auseinanderdividiert wird. Wir lassen uns nicht beirren und setzen einen Weg fort, der so oder so ein unbequemer ist, und widmen uns auch heuer wieder mit Genuss den lachenden Außenseitern dieser Welt.“ Dem ist auch knapp zwei Jahrzehnte später nichts hinzuzufügen.