Olga Konkova

Kein Betrug

v 39 .l.: Stephan Kurmann, Olga Konkova, Bodek Janke

Olga Konkova stammt aus Russland, lebt aber seit mehr als einem Vierteljahrhundert in Norwegen. Auslöser, das Titelstück ihres neuen Albums zu komponieren, war ein Besuch in ihrem Geburtsland.

Von Arne Reimer

Eine besondere Inspiration für Moscow Tears, die neue CD des Olga Konkova Trios, war das alte Klavier aus den Kindertagen der Komponistin. Das Album dokumentiert ein Live-Konzert des Trios.

Arne Reimer: Wie geht es dir in Zeiten der Corona-Krise?

Olga Konkova: Man muss aufpassen, nicht depressiv zu werden, da man keine Konzerte mehr spielen darf. Zuerst dachte ich, dass ich die Zeit gut zum Komponieren nutzen könnte, aber das habe ich dann doch nur gelegentlich gemacht. Mir geht es gut, ich habe ein Stipendium vom Staat, das Menschen fördert, die für Norwegen wichtig sind. Ich lebe hier in meinem Haus mitten im Wald, ungefähr 45 Minuten von Oslo entfernt. Viele meiner Freunde hängen in der Stadt fest.

Arne Reimer: Wie kam es zu dem Titel deiner neuen CD?

Olga Konkova: Als ich 2014 meine Mutter in Moskau besuchte, setzte ich mich an mein altes Piano aus Kindertagen, auf dem ich damals 15 Jahre lang geübt hatte. Meine Mutter und meine Oma hatten 1974 einen Kredit aufgenommen, nur um mir dieses Instrument kaufen zu können, da war ich fünf Jahre alt. Das Klavier hieß Roter Oktober und ich war zu Tränen gerührt, als ich wieder darauf spielte, es war total verstimmt und einige Tasten funktionierten nicht. Das war ein sehr nostalgischer Moment, deshalb schrieb ich noch am gleichen Tag eine Komposition, in der ich diese Emotionen verarbeitete.

Arne Reimer: Durch die Aufnahme zieht sich eine bestimmte Stimmung. Auch die beiden Standards „All the Things You Are“ und „Girl from Ipanema“ fügen sich gut ein.

Olga Konkova: Nach der Begegnung mit meinem alten Piano wollte ich in meinen Kompositionen auch traurige Gefühle zulassen, und genau dazu entwickeln die Hörer einen Bezug. Der Titel „Moscow Tears“ wurde in Norwegen zu einem kleinen Hit. Alles, was ich komponiere und was ich spiele, reflektiert die Erlebnisse und die Erfahrungen meines Lebens. Meine Musik ist schön, ehrlich, pink und loyal – sie zeigt, wie ich mich gerade fühle.

Arne Reimer: Der Bassist Stephan Kurmann gründete 1994 in Basel den Jazzclub Bird’s Eye, wo das Konzert deines Trios mitgeschnitten wurde. Wie hast du Kurmann getroffen?

Olga Konkova: Als ich 2017 in Basel beim Focusyear [einem einjährigen Stipendium] am Jazzcampus war, lernten wir uns kennen und spielten zusammen. Anfangs war er sehr skeptisch, aber dann merkte er, wie gut wir musikalisch miteinander funktionierten. Ich wollte unbedingt mit ihm und einem Schlagzeuger eine Aufnahme im Trio machen. Stephan wusste sofort, welcher Drummer zu uns passen würde und nannte Bodek Janke. So einfach kann es manchmal gehen [lacht]. Es gab keine einzige Probe und keinen Plan. Wir spielten ein paar Konzerte in Norwegen und dann im August 2019 vier Abende im Bird’s Eye, die wir mitgeschnitten haben. Sowohl Stephan als auch Bodek haben sich in den Konzerten auf wunderbare Weise für meine Musik geöffnet, und wir haben improvisiert. Ich bin sehr glücklich mit der neuen Einspielung.

Arne Reimer: Bevorzugst du Live-Aufnahmen oder gehst du lieber ins Studio?

Olga Konkova: Der Toningenieur Jan Erik Kongshaug hat mir mal erzählt, wie bei Studioaufnahmen von klassischer Musik einzelne Noten in der Nachbearbeitung ausgetauscht werden. Das hat mich nie interessiert – im Gegenteil, mein neues Live-Album klingt so ehrlich, weil wir alles so belassen haben. Bearbeitung ist wie ein Betrug, da bin ich nun mal old school.

Arne Reimer: 1993 warst du Studentin am Berklee College of Music in Boston. Wie wichtig waren diese zwei Semester in den USA für dich?

Olga Konkova: Es ist immer richtig und wichtig, die Heimat zu verlassen, um sie nach der Rückkehr mehr zu schätzen. Aber ich hatte in Boston keine gute Zeit. Ich hatte bereits in Moskau an der Gnessin-Musikakademie eine vorzügliche Ausbildung genossen, und es gab auch viel Wissen, das mir kostenlos vermittelt wurde. Als ich am Berklee College war, wollte mir ein ungarischer Klavierlehrer etwas über Notierung beibringen, aber das wusste ich alles schon und dachte nur: Wieso zahle ich jetzt 10.000 Dollar für drei Monate? Das ergab für mich keinen Sinn. Das Berklee College ist eine reine Geldmaschine. Viel wichtiger war damals für mich, Live-Konzerte in Boston zu hören. Oft bin ich mit Kommilitonen auch nach New York gefahren und habe mir in den Jazzclubs so viel angehört, wie ich konnte. Das war das beste Training für mich in jener Zeit.

Arne Reimer: Hast du damals auch selbst in den USA Konzerte gespielt?

Olga Konkova: Ja, sicherlich, ich habe ein paar Mal in New York gespielt, aber man spielt, und dann geht man wieder, man spielt, und dann geht man wieder. Du bist alleine – und du bist den Leuten egal, sie begegnen dir nicht mit Respekt. In Norwegen hingegen wurde mir danach sehr viel mehr Wertschätzung gezeigt, ich liebe dieses Land.

Arne Reimer: Wie wichtig ist die norwegische Musikszene für dich?

Olga Konkova: Sehr wichtig! Bugge Wesseltoft ist einer meiner besten Freunde. Aber ich höre die Musik nicht mehr, die sie alle machen. Ich bin fertig mit dem Anhören von Musik. Auch meine eigene Musik höre ich mir nicht mehr an. Ich bevorzuge die Stille.

Aktuelles Album:

Olga Konkova Trio: Moscow Tears – Live at Bird’s Eye Basel (Dreyer Gaido / Note 1 Musikvertrieb)