Piano im Pool

Neubad, Luzern

Von Achim Ost. Im Schwimmbecken des Neubads in Luzern gibt es kein Wasser mehr. Stattdessen standen dort um die Oktobermitte wieder ein Steinway-Konzertflügel und eine ansteigende Zuschauer- beziehungsweise Zuhörer-Tribüne. Der Pool, aus dem das Wasser abgelassen wurde, ist ein besonderer Konzertort. Die glatte, harte und wasserundurchlässige Fläche der Poolwände reflektiert jeglichen Klang wie durch eine Lupe und konzentriert ihn in kristalliner und oft zugleich massiver Unbarmherzigkeit. Ein warmer Klang ist in dieser holzfreien Umgebung nicht unbedingt zu erwarten. Die Decke des Raums ist nicht zu hoch, so dass durch die kurze Abhallzeit im Pool keinerlei verunsichernde Echoeffekte entstehen können. Allerdings haben tiefe und hohe Töne völlig unterschiedliche Verhaltensweisen im Raum und scheinen zuweilen geradezu die Richtung zu wechseln. Kein Ausweichen gibt es da, kein Weghören und keinerlei Nachsicht, sondern intensive Spiel- und Hörerfahrungen in einer tiefen Klarheit – für die Künstler und auch für die Hörer. Schließlich sitzen alle im gleichen Raum.

Das Festival „Piano im Pool“ im Luzerner Neubad liefert also ein Klangkonzept, das sich für wässrige Konzerte nicht im Geringsten eignet und an die Musiker hohe Anforderungen stellt. Für lautere Konzertereignisse ist das Neubad eine gänzlich ungeeignete Umgebung. Den Auftaktabend bestritt am 18. Oktober der schwedische Jazzklavier-Star Bobo Stenson. Ein deutscher Jazzkritiker schrieb ihm anlässlich seines neuen Albums eine „kühle, ruhige Tiefe“ zu – eine Metaphorik, die ihn für ein Pool-Konzert als eigentlich bestmöglichen Musiker erscheinen lässt. Stenson formte mit seiner lang gereiften, ungemein fein ausgehörten und hoch differenzierten Anschlagstechnik die Raumklang-Situation zu einem intensiven Hörerlebnis.

Der zweite Konzertabend gehörte, wie eigentlich das gesamte restliche Festival, jüngeren Musikern, die sich mit viel Mut und Hingabe an die differenzierte und diffizile Aufgabe machten: das Duo des französischen Pianisten David Tixier mit der kroatischen Perkussionistin Lada Obradovic, das mit Klavier, Schlagwerk und Samples die Akustik im Raum einem grenzgängerischen Test unterzog. Mit Felix Trippel war dann ein lokaler Nachwuchsmusiker zu hören. Den dritten Festivalabend eröffnete mit Adriano Koch ein weiterer experimentell aufgeschlossener junger Musiker, bevor die renommierte Jazzpianistin Marie Krüttli mit ihren vielschichtigen und idiomatisch freigeistigen Kompositionen dem Festival einen nachhaltigen Abschluss verlieh.