Mallorca Jazz

Sa Pobla

Von Jan Kobrzinowski. Auf „Malle“ gibt es Jazz? Immer schon gab es Festivals auf der Baleareninsel, darunter Edel-Veranstaltungen, die Jazz Voyeur oder Mallorca Smooth Jazz heißen. George Benson war dort und Diana Krall. Und es gibt Fans, nicht nur reiche und nicht so reiche Touristen, sondern auch echte Mallorquiner. Den Festival-Geheimtipp Mallorca Jazz Sa Pobla im Provinzstädtchen Sa Pobla, Hochburg des Kartoffelanbaus auf Mallorca, gibt es bereits seit 25 Ausgaben. Dort standen schon John Abercrombie, Charlie Haden, Ravi Coltrane, John Scofield, John Zorn, Dave Holland, Joachim Kühn sowie Jorge Pardo und Perico Sambeat auf der Bühne, neben vielen anderen.

Vorbei sind die Zeiten, da man in feinen oder auch nicht so feinen Hotelbars mit drei bis fünf Sternen suchen musste, um als Jazz-Aficionado Musiker improvisieren zu hören bzw. als Musiker live das Realbook zu exerzieren. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die lokale Szene entwickelt. Rührige Lokalmatadoren wie der Gitarrist Toni Miranda und der eingewanderte Amerikaner Jimmy Weinstein (dr) sorgen mit den Workshop-Programmen ihrer Travelling School und der Vocal Summit Masterclass für wertvolle jazzpädagogische Beiträge. Junge Musiker können inzwischen auch auf der Insel Jazz studieren, ohne nach Madrid oder Barcelona auszuwandern. Sicher mangelt es an angemessenen Auftritts- und Verdienstmöglichkeiten, aber das ist in Madrid, Köln und New York ja nicht anders.

Mallorca hat Größen wie Buika, Toni Cuenca und Marcos Collado hervorgebracht, und es gibt Urgesteine: Der 1991gestorbene Jazz-Geiger und -Saxofonist Salvador Font „Mantequilla“ (span.: Butter) ist eine Legende. Insider nennen seinen Sohn, Salvador Font jr. (einen der besten Schlagzeuger der Insel) zärtlich „Margarina“. Seinem Vater zu Ehren spielt er mit der rein mallorquinisch besetzten Glissando Big Band nun ein Programm mit Mantequillas Musik und führte dieses eindrucksvoll in Sa Pobla auf. Davon abgesehen lag Sa Poblas Fokus 2019 auf singenden Frauen: Cyrille Aimée, Catherine Russell und die Andalusierin Mariola Membrives versorgten das Publikum mit äußerst verschiedener Musik. Die Französin Aimée beeindruckte mit frischem und modernem Umgang mit dem Material des Musical-Komponisten Stephen Sondheim. Russell sorgte mit ihrem Jazzblues-Trio bei einheimischen Senioren, urbanen mallorquinischen Hipstern und auch einigen ausländischen Touristen für swingende Unterhaltung. Mariola Membrives lieferte den anspruchsvollsten Beitrag, indem sie die in Spanien bekannten Lieder des Poeten und Dramatikers Federico García Lorca mit der ungewöhnlichen Besetzung aus zwei E-Gitarren sowie elektronisch angetriebener Posaune hochinteressant verfremdete.

Das Sa-Pobla-Publikum lässt sich, meist gratis, manchmal gegen einen Obolus von 10 bis 20 Euro, seit Jahren auch auf Musik der experimentellen Sorte ein. Die mallorquinischen Lokalbehörden verstehen inzwischen etwas davon, ihre mediterranen Bauwerke und Plätze zur sommerlichen Nachtstunde – wegen der Temperaturen beginnt kein Konzert vor 22.30 Uhr – in Szene zu setzen, nicht nur in der hippen Inselhauptstadt Palma. In Sa Pobla sind es die Plaça Major und die Plaça Alexandre Ballester, die zu Festivalbühnen illuminiert werden.