Suesskind Audio

Lautsprecher für leise Töne

Der Lautsprecherbau ist für sich genommen keine sehr anspruchsvolle Angelegenheit. In seiner Reinstform, dem Erstellen einer sogenannten „offenen Schallwand“, benötigt man tatsächlich nur ein Brett, einen Breitbandtreiber sowie Kabel zum Verbinden mit dem Verstärker. Aus die Maus, und schon kanns losgehen.

Von Peter Steinfadt

Im Netz schwirren Hunderte solcher Baupläne herum, und manche dieser Konzepte können auch mit ihrem inhärenten Purismus überzeugen. Vielleicht hat Joachim Gerhard, Mastermind hinter Suesskind Audio, vor fünf Jahrzehnten auch mal so klein angefangen? Wir wissen es nicht. Was wir aber mit Bestimmtheit sagen können: Er gilt seit vielen Jahren als absolute Koryphäe im internationalen Lautsprecherbau und genießt in der Branche und bei Kunden einen ausgezeichneten Ruf.

Alle aktuellen und vergangenen Entwicklungen, man denke an Audio Physics berühmtes und auch kommerziell erfolgreiches Modell Tempo, mit dem Gerhard eine Art Durchbruch gelang, tragen die Handschrift des Meisters: Ihre Soundsignaturen sind von Schnelligkeit, Lebendigkeit und Emotionalität geprägt. Gerhard hat bis dato niemals einen „langweiligen“ Lautsprecher entwickelt. Gut so.

Sein aktuelles Einstiegsmodell namens Phänomen macht hier selbstverständlich keine Ausnahme und setzt sowohl in Konzept als auch Design einen obendrauf. Der superzierliche Standlautsprecher in etwas mehr als doppelter Lineallänge (Höhe: 66 Zentimeter) ist ein echter David unter den Goliaths. Bestückt ist die Zweiwege-Konstruktion mit einer 19 Millimeter großen klassischen Gewebekalotte und einem 13 Zentimeter großen Tiefmitteltöner mit Aluminium-Membran. Die Übergangsfrequenz der beiden Treiber liegt bei 1.700 Hertz. Dies führt zu einem sehr breiten Abstrahlverhalten und trägt indirekt dazu bei, dass die Phänomen nicht wirklich hoch belastbar sind.

Seitenansicht

Um die Miniatur-Standlautsprecher nicht anämisch dünn klingen zu lassen, ist unten am Fuß des Gehäuses eine Art Bassreflex-Konstruktion integriert – ein 1,5 Zentimeter großer Schlitz, der den Schall direkt auf den Boden lenkt. Durch die Zwölf-Grad-Neigung der Box entsteht so ein hornähnlicher Vorsatz – und der Schalldruck steigt um fast sechs Dezibel. Elegant gelöst, clever gemacht. Die aufwendige Frequenzweiche wohnt im hinteren Teil und gibt der Phänomen die notwendige Standfestigkeit.

Dass die Treiber mit ihren geringen bewegten Massen kein Soundbeben und Bassgewitter auslösen können, wurde schon erwähnt. Ergo widmen wir uns musikalisch gemäßigteren Gefilden und legen mal Brötzmann auf. Den wilden Free-Berserker aus Wuppertal? Nun, auf der gemeinsamen Schallplatte mit der Pedal-Steel-Künstlerin Heather Leigh – Peter Brötzmann / Heather Leigh, Sparrow Nights (Trost, 2018) – zeigt sich Brötzmann auch von seiner sinnlichen, zerbrechlichen Seite. Innige Zwiesprache, düster, manchmal chaotisch, dann wieder liebend und versöhnlich – die Musik der beiden skizziert das ewige Spannungsfeld zwischen Mann und Frau auf abstraktem höchsten Niveau.

Die kleinen Wandler aus dem Sauerland legen hier lange und breite Klangteppiche aus und überzeugen insbesondere mit dem Extrapolieren feinster Mikro- und Makrotexturen des freigeistigen Paares. Das Klangbild ist groß und authentisch und suggeriert bei geschlossenen Augen große souveräne Standlautsprecher. Bei gemäßigter Lautstärke bis zu gehobener Zimmerlaustärke vermisst man nichts, im Gegenteil: Wer auf feine Texturen und Tiefenstaffelung in der Darstellung des Musikgeschehens steht, wird hier phänomenal bedient.

Die Gerhardsche DNA manifestiert sich auch im Kleinod Stockholm Syndrome des dänischen Duos Murder (DevilDuck Records, 2008). Die einfache akustische Musik ist eine Melange aus Melancholie und purer Schönheit, und Jacob Bellens Stimme erzeugt mehr als einen Gänsehautmoment. Ein wunderbares Singer/Songwriter-Album für die kontemplativen, aber auch poppigen Momente des Lebens und ein echter audiophiler Tipp. Die Phänomen bleiben hier sehr sauber, und die Sprachverständlichkeit des vorgetragenen Liedguts ist hervorragend. Bei geschlossenen Augen mit etwa 2,5 Meter Hörabstand zu den Boxen vermeint man die beiden Dänen leibhaft im Hörraum musizieren zu sehen. Und dass die Suesskinds auch bei der Reproduktion von Opern-Klassikern wie La Traviata oder Anton Bruckners 5. Sinfonie weit mehr als ein Micky-Maus-Klangbild erzeugen können, das ihr Miniaturkonzept ja fast zwangsläufig suggeriert, sei nur am Rande erwähnt. Für 1.800 Euro wechselt das reine, gut verarbeitete Manufakturprodukt – gefertigt wird auf Bestellung – den Besitzer. Der Entwickler führt das Modell in seinem Shop in Brilon sicherlich auch gerne selbst vor.

Website:

www.suesskindaudio.de