Time Tunnel

Pannonica de Koenigswater

Die Musikgeschichte wäre ohne wohlhabende Mäzene wohl anders verlaufen. In der Regel stammten diese aus der Kirche oder dem Adel. In der jüngeren Geschichte auch aus dem Geldadel. Zu diesem ist sicherlich die Familie Rothschild zu zählen, die im 19. Jahrhundert zu den wichtigsten Finanziers europäischer Staaten gehörte. Aus dieser Familie stammte die am 10. Dezember 1913 geborene Pannonica de Koenigswater, die unter ihrem Spitznamen Nica als Jazzbaroness in die Geschichte einging.

Mit dem Jazz kam sie schon in ihrer Kindheit durch die Plattensammlung ihres Vaters in Berührung. Ihr Bruder Viktor, der als Churchills persönlicher Kurier im Mutterland des Jazz unterwegs war, nahm Klavierstunden bei Teddy Wilson, dem Pianisten des „King of Swing“ Benny Goodman. Pannonica entschloss sich zunächst für ein Kunststudium in München. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete sie als Chiffriererin für England und zog nach Kriegsende als Diplomatenfrau nach Mexiko, wo sie allerdings ein Leben führte, mit dem sie nicht glücklich war.

Ein Schlüsselerlebnis für sie war eine Plattenaufnahme von Duke Ellingtons „Black, Brown and Beige“, die ihr ein Freund in Mexiko vorspielte. Die Aufnahme berührte sie so sehr, dass sie unbedingt an den Ort wollte, an dem diese Musik entstanden war, und es folgten mehrere Reisen nach New York. 1948 oder 1949 machte sie auf der Rückreise nach Mexiko einen Zwischenstopp in der Metropole und schaute auf dem Weg zum Flughafen noch bei Teddy Wilson vorbei, der ihr „Round Midnight“ von Thelonious Monk vorspielte. Nica hörte das Stück um die zwanzig Mal hintereinander, verpasste ihren Flug und blieb für immer in New York. Sie besuchte Jazzclubs, freundete sich mit Musikern an und unterstützte sie finanziell und organisatorisch. Ihre wechselnden Hotelzimmer waren immer ein Zufluchtsort für Jazzmusiker. Auch für Charlie Parker, der in ihrer Suite seine letzte Zuflucht fand, bevor er starb.

Thomas Bugert