In jeder Ausgabe der JAZZTHETIK werden die aktuellen CD und DVD Neuerscheinungen aus Jazz, Weltmusik, Elektronik, Blues, u.v.m. vorgestellt. Neben den Einzelvorstellungen gibt es auch Kolumnen zu speziellen Themen. Hier finden Sie 3 ausgewählte Rezensionen zum Probelesen!

Eberhard Weber

Once upon a Time

ECM / Universal

5 Sterne

In Zeiten von Corona scheinen die Solo-Platten nur so aus den Labels zu sprießen – viele Künstlerinnen und Künstler haben die Zwangspause und Isolation genutzt, sich noch einmal ganz auf sich und ihre Musik zu konzentrieren. Bei der neuen Platte des Bassisten Eberhard Weber sieht das allerdings anders aus. Zwar ist diese auch gerade erst bei ECM erschienen, aufgenommen wurde sie jedoch bereits 1994 – Weber hat sich 2007 nach einem Schlaganfall, der ihn spielunfähig machte, aus dem aktiven Musikleben zurückgezogen. Auf der neuen Platte kann man ihn noch einmal auf dem Höhepunkt seines Könnens erleben. Im Rahmen des Festival International de Contrabasse entstand der Solo-Mitschnitt Once upon a Time, auf dem vor allem Musik von den Vorgängeralben Orchestra und Pendulum zu hören ist. Weber hat sich vor allem einen Namen gemacht als einer der ganz großen Könner auf dem Kontrabass. Kontinuierlich beschäftigte er sich mit den verschiedensten, teils hochvirtuosen Spieltechniken und entwickelte so einen ganz eigenen Klang, eine ganz eigene Stimme, wovon man sich auf der vorliegenden Platte überzeugen kann. Die ganz klassischen Spielweisen erweiterte er im Laufe der Zeit um elektronische Möglichkeiten. So benutzte er einen elektronischen Bass, der um Delay-Pedale ergänzt wurde und daher auch kürzere Loops einbauen kann. Wie sehr dies die klanglichen Möglichkeiten erweitert, wird beispielsweise bei dem Stück „Trio for Bassoon and Bass“ aus Webers Feder oder auch dem Standard „My Favourite Things“ schnell hörbar. Doch in den puristischen Stücken wird noch einmal ganz offensichtlich, dass Weber ein ganz außergewöhnlicher und begnadeter Kontrabassist war!

Verena Düren

SWR Big Band / Magnus Lindgren / John Beasley

Bird Lives

ACT / Edel:Kultur

4,5 Sterne

Bird Lives: Wenige Tage nach dem Tod Charlie Parkers im März 1955 tauchte dieser Slogan auf den ersten New Yorker Hauswänden auf. Nicht ohne Grund hat die SWR Big Band ihr Projekt aus 2020, das anlässlich des 100. Geburtstags Parkers geplant worden war, mit dieser Botschaft betitelt. Ergänzt um ein zehnköpfiges Streicherensemble und einige erstklassige Solisten (darunter fünf Saxofonisten) bringt der Klangkörper unter der Leitung von Magnus Lindgren die Kompositionen Parkers ebenso zum Fliegen wie jene, die „Bird“ selbst besonders gerne spielte. Die Arrangements hat Lindgren zusammen mit John Beasley geschrieben, mit dessen Monk’estra die SWR Big Band eigentlich im Hollywood Bowl hätte spielen sollen. Ausgewählt haben sie auf der einen Seite Kompositionen Parkers, auf der anderen einige seiner liebsten Standards. Mitunter verbinden Lindgren und Beasley beides, so wie bei „Koko“, dessen Harmonien zum Teil auf Ray Nobles „Cherokee“ basieren. Auf dem Album werden beide Stücke direkt hintereinander gespielt und durch den atemberaubenden Scat-Gesang der Französin Camille Bertault und durch das knackige Saxofonspiel von Chris Potter veredelt. Dessen Kollegin Tia Fuller begeistert mit einem herrlich entspannten „Summertime“-Solo, Miguel Zenon bei „Donna Lee“ mit spritzigem Latin-Touch, Charles McPherson bei Laura“ mit Film-noir-Eleganz und Joe Lovano mit unvergleichlich warmherzigem Spiel bei „I’ll Remember April“. Da ist es fast schon ein Wunder, dass auch Beasley und Lindgren noch Raum finden, um zu glänzen. Zusammen mit der gewohnt präzisen Big Band entsteht so eine wunderbar vielseitige Hommage an einen der ganz großen Jazzer.

Thomas Kölsch

Sebastian Böhlen

Fallalarenko

Laika / Rough Trade

4 Sterne

Fallalarenko, der Titel des neuen Albums von Gitarrist Sebastian Böhlen, ist ein Fantasiebegriff, der Raum für Interpretation lässt. Genau wie die Namen der Titel, in denen jedoch auch versteckte Hinweise zu finden sind. Liest man „Namelet“ rückwärts, ergibt sich Teleman(n) und verweist auf den Komponisten, von dem eine Sonate als Inspiration für diese Komposition diente. Böhlen ließ sich bei der Komposition seiner Stücke jedoch auch vom klassischen Jazzrepertoire inspirieren, indem er, in bester Jazztradition, neue Melodien über die Akkordfolge von bekannten Stücken schrieb. „Somethology“ basiert beispielsweise auf der Akkordfolge des Standards „Alone Together“, dessen Ursprungsmelodie von Bassist Max Leiß auch in seinem Solo zitiert wird. Zusammen mit dem Schlagzeuger Julian Fau bilden sie das Sebastian Böhlen Trio. Es ist ein eingespieltes Trio mit einem sehr homogenen Bandsound, das in kompakter Weise die abwechslungsreichen Arrangements spielt und den jeweiligen Solisten bestmöglich unterstützt. Dieser gemeinsame Bandsound trägt wesentlich dazu bei, dass das Album als ein musikalisches Gesamtwerk funktioniert und den Musikern die Freiheit bietet, die Soundmöglichkeiten ihrer Instrumente zu erforschen. Stilistisch abwechslungsreich zeigt das Sebastian Böhlen Trio ungezwungen mit viel hörbarer Spielfreude, welche klanglichen Möglichkeiten ein Gitarrentrio bietet.

Thomas Bugert