Partikel
Anniversary Song
Berthold / Cargo
3,5 Sterne
Das Trio aus London um den Saxofonisten Duncan Eagles feiert mit seiner fünften CD den zehnten Geburtstag seines Bestehens. Das Album ist gleichzeitig eine Rückbesinnung auf wichtige Stationen der 2017 als bestes Jazzensemble nominierten Band. Einige der Kompositionen beziehen sich direkt auf frühere Auftrittsorte des Trios in London („Catford Muse“ und „Surbiton“). Erst wurden bei schlechter Bezahlung Standards gespielt, bevor sich der eigene Sound der Band herauskristallisierte. In zehn Jahren hat sich zwischen Duncan Eagles (sax), Max Luthert (b) und Eric Ford (dr) eine großartige kreative Energie entwickelt. Im Opener „Catford Muse“ lehnt sich das Schlagzeug an Drum‘n‘Bass-Grooves an, in „The Golden Bridge“ übernimmt das Saxofon eine Art Orgelpunkt auf einem Ton, während sich Bass und Schlagzeug austoben dürfen. „Citizen“ war eigentlich als Komposition für eine fünfköpfige Band konzipiert, für das Trio wurde das mehrstimmige Saxofonintro gedoppelt aufgenommen. „Rose Bush“ ist die einzige Ballade des Albums, dem Bandleader war aufgefallen, dass noch ein langsameres Stück fehlte. Die Komposition entstand quasi auf der Zielgeraden, direkt vor dem Studiotermin. Anniversary Song des Trios Partikel besticht durch eine gute Rollenverteilung, die Chemie zwischen Duncan Eagles mit Bassist Max Luther und Drummer Eric Ford stimmt hervorragend.
Angela Ballhorn
Gerd Putscheff Los Vientos
Duende Now!
Bayla / Galileo
4 Sterne
Putscheff ist einer der raren Geiger im deutschen Jazz und verbringt viel Lebenszeit in Spanien, kennt sich mit der enorm vielgestaltigen und differenzierten dortigen Musikkultur sehr gut aus und hat ein Album veröffentlicht, das eine Fusion aus Jazz mit Flamenco unternimmt. Flamenco und Jazz haben das Improvisieren gemeinsam, zudem die Virtuosität, mit der profilierte Musiker*innen beider Genres aufzuwarten in der Lage sind; schließlich auch historische Dimensionen, die weit in alte Traditionen zurückreichen und regional vielfältig sind. Putscheffs Flamenco Jazz ist eine echte Fusion. Was man am deutlichsten hört in der Flamenco-Version von Dizzy Gillespies Bebop-Klassiker „A Night in Tunisia“: Hier wird nicht Flamenco im idiomatischen Geist des Jazz arrangiert und gespielt, sondern die Sache liegt umgekehrt. Fusion bedeutet für Putscheff nicht einfach, wohlfeile Anleihen bei Instrumentalfarben oder Skalen zu machen. Beide Quellen bleiben stets erkennbar in einer sorgfältigen, klanglich genau gearbeiteten Zusammenarbeit. Ein Musiker, der das Album prägt, ist der Perkussionist, Schlagzeuger und Tabla-Virtuose Willi Kappich. Er produziert Klangfarben, die kurz gegriffene idiomatische Zurechnungen mindestens in so weite Fernen rücken wie Putscheffs klangschönes, raffiniert-elegantes Geigenspiel. Ansonsten ist die Besetzung ein wenig unübersichtlich. Ein Trio und ein Quintett kommen darin vor sowie ein Orchester aus Musiker*innen der Frankfurter Musikhochschule. Aber nicht nur in den größeren Besetzungen ist der Klangfarbenreichtum ohrenfällig.
Hans-Jürgen Linke
Pasquale Grasso
Be-Bop
Sony
4 Sterne
Pat Metheney nannte den italienischen Gitarristen und Wahl-New-Yorker einst den besten jungen Gitarristen, den er gehört hatte. Ganz gleich, wie solche Aussagen zu bewerten sind, steht fest, dass Grasso einer der versiertesten Musiker seiner Generation auf der Gitarre ist. Auf seinem neuen Album widmet er sich, wie er Name schon verrät, Be-Bop-Kompositionen.
Versteht man Musik als eigenständige Sprache, so klingt Grasso sicherlich wie ein Native Speaker im Be-Bop-Dialekt. Mit traumwandlerischer Sicherheit und in technischer Perfektion wandelt er auf den musikalischen Pfaden von Charlie Parker und Dizzy Gillespie. In Höchstgeschwindigkeit meistert er mit seinen Mitmusikern abenteuerliche Wendungen und versetzt die Hörenden musikalisch in eine Zeit, in der der Jazz begann, sich als sogenannte Kunstmusik zu etablieren. Begleitet wird Grasso bei diesem abenteuerlichen Ritt von Schlagzeuger Keith Balla und dem immer wieder durch mit dem Bogen gespielten Solos herausragenden Bassisten Ari Roland. Einen Kontrast bietet der Titel „I’m in a Mess“, bei dem das Trio die Sängerin Samara Joy featurt.
Be-Bop scheint eine Herzensangelegenheit von Grasso zu sein, der Parker und Gillespie seine Jugendhelden nennt. Wie sehr er die Sprache dieser Heroen verinnerlicht hat, zeigt sich eindrücklich an der Eigenkomposition „Lamento Della Campagnia“, bei der er und seine Mitmusiker vielleicht am meisten ihre eigene Persönlichkeit in den Sound des Trios einbringen.
Thomas Bugert