Joey Alexander
Warna
Verve / Universal
4 Sterne
In Zeiten von unzähligen Nachwuchs-Casting-Shows und anderen Wettbewerben, für die schon die Kleinsten auf Hochleistung getrimmt werden, hat der inflationär verwendete Begriff „Wunderkind“ eigentlich jeglichen Qualitätsanspruch verloren und hinterlässt oft nur einen schalen Beigeschmack im Mund. Doch Joey Alexander lässt sich kaum anders beschreiben. Immerhin hat er mit gerade einmal 16 Jahren schon vier Alben veröffentlicht, die ihm bislang drei Grammy-Nominierungen eingebracht haben und die einen Jazz-Pianisten zeigen, der weitaus reifer klingt, als es seine Jugend vermuten ließe. Mit Warna hat der Indonesier jetzt sein Debüt beim Major-Label Verve gegeben und seine Entwicklung weiter vorangetrieben.
Es ist schon bemerkenswert, auf welchem Level Alexander nicht nur spielt, sondern auch komponiert – ja, mit Ausnahme von „Fragile“ (Sting) und „Inner Urge“ (Joe Henderson) stammen alle Titel aus der Feder des Teenagers, der überaus virtuos über die Tasten jagt und dabei stets neugierig bleibt. Zugegeben, manche Phrasen sind vorhersehbar, nicht nur aufgrund der Vorliebe für Motiv-Wiederholungen (etwa bei „’Tis Our Prayer“), doch immer wieder überrascht Alexander auch mit harmonischen Wendungen, die in ihrer Eleganz und Schlichtheit aus der Masse herausragen. Nicht ohne Grund hat Wynton Marsalis einst betont, dass er sich an niemanden erinnern könne, der in diesem Alter schon so spielen konnte. Mit Warna dürfte Alexander diesen Eindruck noch verstärken, zumal er mit dem Bassisten Larry Grenadier und dem Drummer Kendrick Scott zwei exzellente Begleiter an seiner Seite hat, die ihm helfen, seine eigene Sprache zu finden. Der Anfang ist auf jeden Fall gemacht und klingt überaus vielversprechend.
Thomas Kölsch
Moka Efti Orchestra
Erstausgabe
Motor / Edel:Kultur
4,5 Sterne
Die grandiose Fernsehserie Babylon Berlin zeichnete sich auch durch das Moka Efti Orchestra aus – im Fernsehen singt unter anderem Bryan Ferry mit der Band –, das nun auf seinem Debüt-Album nicht etwa originalgetreue Musik aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts spielt, sondern einen ganz eigenen Stil-Hybriden erfindet. Das oszilliert zwischen Max Raabe, Ulrich Tukur und dem Pasadena Roof Orchestra, führt aber manchmal auch ganz ins Hier und Jetzt und lässt zum Beispiel im „Crocodile Blues“ an düstere Barden wie Nick Cave denken. Selbstverständlich ist auch der Titelsong „Zu Asche, zu Staub“, der die litauische Sängerin Severija zum Star machte und in Deutschland die Single-Charts aufmischte, enthalten, aber es ist bei Weitem nicht der einzige Song, den man wieder und wieder hören möchte. Zu verführerisch ist die angerührte Mixtur aus frühem Jazz, dunklem Pop – Moritz Krämer (Die höchste Eisenbahn) singt zum Beispiel „Süße Lügen“ – und orchestralem Schmiss. Jazzcracks wie Trompeter Florian Menzel oder Schlagzeuger Tobias Backhaus sind zwar beteiligt, doch Erstausgabe will weder ausschließlich Jazz-Nerds noch Nostalgiker bedienen: Das Moka Efti Orchestra unter der Leitung der beiden Keyboarder Mario Kamien und Nikko Weidemann hat sich ein eigenes Genre kreiert, das es nun voller Lust und Vitalität und mit großem Publikumserfolg bedient. Ziemlich klasse!
Rolf Thomas
Der Weise Panda
Jazzhaus / In-Akustik
4 Sterne
Fünf Jahre nach ihrer Gründung legt die Kölner Band Der Weise Panda um die Sängerin Maika Küster ein Reifezeugnis mit großer Ausstrahlung vor. Küster und ihre Bandmitglieder können Songs schreiben – und wie! Sie bilden einen durchgängigen Fluss, schmiegen sich balladenhaft an, trumpfen manchmal rockig auf und bleiben immer intuitiv und unangestrengt dabei. Denn hier zeigt sich die Größe von Küsters Gesang – der ist mal zerbrechlich-melancholisch, aber auch energetisch-druckvoll, wenn es sein muss, und hat auch immer irgendwie den Blues. Auf jeden Fall ist sie immer mittendrin in den emotionalen Zuständen, die das jeweilige Stück gerade abbildet. Die Lyrics, die sich manchmal auch in cooler Spoken-Words-Ästhetik entfalten, tun ihr Übriges mit ihrer zuweilen rätselhaften Metaphorik.
Die gemeinsame Bandchemie ist von Gleichberechtigung getragen: Der epische Bogen, den die Songs spannen, lädt ein zum allumfassenden Bad in purem Klang. Eine beglückende neue Bereicherung in der Band ist die Cellistin Thalia Erdal, deren omnipräsentes Spiel mit gezupften Pizzicati, flirrenden Sul-ponticello-Effekten und empfindsamen gesanglichen Bögen allein für sich genommen ein sinnliches Freudenfest markiert! Alle anderen sind immer da, wo man sie braucht: Schlagzeuger Jo Beyer bringt einen ganzen Ideenkosmos aus Klängen und Impulsen ein, Bassist Yannik Tiemann bereichert das Fundament durch filigrane und herrlich bewegliche Tongebung auf den tiefen Saiten, und Felix Haupt macht am Flügel den harmonischen Raum weit, auf dass sich epische Bögen weit spannen können.
Stefan Pieper