David Torn / Tim Berne / Ches Smith

Sun of Goldfinger

ECM / Universal

4 Sterne

Ein seltsamer Albumtitel und Bandname, eine eigenwillige Formation, eine außergewöhnliche Musik. Dieses Album hat nur drei Stücke, aber jedes ist über 20 Minuten lang. Nummer eins („Eye Meddle“) und Nummer drei („Soften the Blow“) sind Ausschnitte aus noch umfangreicheren Trio-Improvisationen mit Klanglandschafts- und Ambient-Charakter. David Torn und Ches Smith sind hier außer an Gitarre bzw. Schlagzeug auch als Elektroniker am Werk – es gibt verschiedene Geräusch- und Klangebenen zu entdecken. Tim Berne auf dem Altsaxofon ist in diese Soundscapes quasi eingebettet, entwickelt improvisierend seine eigene musikalische Logik und Rhythmik. 2010 fand dieses amerikanische Trio erstmals zusammen, ursprünglich für einen einzelnen Gig. Seit der gemeinsamen Europatournee 2017 hat man so etwas wie eine gemeinsame Identität entwickelt. Eine finale Genre-Zuweisung verweigert der Gitarrist David Torn jedoch: „Das ist weder Jazz noch Rock.“ Das Stück im Zentrum des Albums („Spartan, Before It Hit“) wurde nicht frei improvisiert, sondern ist eine Komposition von David Torn mit ausgeschriebenen Teilen. Zum Trio kommen in diesem Stück noch zwei weitere Gitarristen hinzu, mit Craig Taborn (auch am Klavier) zudem ein dritter Elektroniker und außerdem ein komplettes Streichquartett. Es gibt lyrische Passagen, dramatische Momente, orientalische Anklänge – alles jedoch weit entfernt vom Alltäglichen und Trivialen. Ein ganz besonderes Erlebnis.

Hans-Jürgen Schaal

Fred Frith

Live at the Stone – All Is Always Now

Intakt / Harmonia Mundi

5 Sterne

The Stone, jener von John Zorn begründete, einzigartig-puristische Avantgarde-Club mutet wie eine Antithese zur reizüberfluteten Konsumwelt von New York an. Der Gitarren-Klangartist Fred Frith gehört seit Jahrzehnten zur „Community“ bei den fast täglich stattfindenden Sessions. Jetzt dokumentieren die drei CDs dieser Veröffentlichung das reiche Geschehen an diesem Ort – ein verdienstvolles Unterfangen in Zeiten, wo öffentliche Medien immer mehr auf dem Rückzug sind, das Spezielle und auch Widerständige zu dokumentieren! Fred Frith hat selbst Hand angelegt, um eine repräsentative Dramaturgie zu formen. Wenn er die Stücke in den Liner Notes als „Songs“ bezeichnet, steht dies für den Willen zur Schlüssigkeit.

Improvisierte Sessions sind in erster Linie Live-Erlebnisse. Das Nachhören auf CD verlangt konzentrierte Versenkung, wird zum Forschungsprozess. Wenn dieser gelingt, kommen wir der visionären Empfindsamkeit dieses Ausnahmemusikers besonders nah eben so, wie wir ihn kennen: Fred Frith, der, immer barfüßig, in außerweltliche Ruhezustände abtaucht, traktiert die Saiten perkussiv, formt Texturen, füllt Klangräume, immer dem Unerhörten dicht auf den Fersen. Im Dialog mit wechselnden Partnern setzt dies eine außerweltliche Musique concrète frei, etwa wenn sirenenhafte Sinusfrequenzen aus Pauline Oliveros Akkodeon hinzukommen. Tiefschwarze Drones entstehen, wenn Sylvie Courvoisier das Spiel mit tiefsten Basstönen anreichert. Manische Großstadt-Poesie löst Shelley Hirsch schließlich in ihrer eigenen Stimmakrobatik und den Klanggewittern ihres Partners auf. Sehr facettenreich sind die Begegnungen mit Laurie Anderson, die im Dialog mit Fred Frith mal wieder ganz pur als Musikerin und nicht als sprachverliebte Selbstdarstellerin zu erleben ist. Die herrschaftsfreie Kommunikation auf diesen drei CDsrde der Welt auch außerhalb der kargen Mauern des Stone gut zu Gesicht stehen!

Stefan Pieper

Luca Sisera Roofer

Starlex Complex

Nwog / Edel:Kultur

4,5 Sterne

Bereits 2013 hat der Schweizer Bassist Luca Sisera mit Roofer sein eigenes Quintett gegründet und darf sich seitdem über lobende Kritiken für die ersten beiden Aufnahmen freuen. Mit Starlex Complex bringt das Quintett, das neben Sisera aus Michael Jaeger (ts), Maurus Twerenbold (tb), Yves Theiler (p) und Michi Stulz (dr) besteht, seine dritte Platte raus. Sisera hat seine Absichten einmal so formuliert: „Meine Vision ist es, mit Roofer eine Musik zu kreieren, wo sich Freiheit, Komplexität und Schlichtheit begegnen.“ Und tatsächlich gelingt Roofer der schwierige Spagat zwischen komplexen Kompositionen und der Freiheit des Einzelnen. Die neun Kompositionen, von denen drei zu einer ausgesprochen runden Suite zusammengefasst sind, sind vielseitig und lassen jedem der fünf Musiker viel Raum zur eigenen Ausgestaltung. Dabei wird gerne auch mal mit Klängen gespielt, wie beispielsweise in dem Stück „Nair“, das zunächst geprägt ist von den Luftgeräuschen der Bläser, bis sich nach und nach das Klavier dazugesellt. Einen Bandleader hört man nicht heraus – die exzellenten Musiker fügen sich völlig gleichberechtigt zusammen, und die Grenzen zwischen Solist und Band werden aufgelöst. Das geht nur mit durchweg exzellenten Musikern! Die Musik von Roofer ist mal lyrisch, aber niemals seicht, zugleich modern und spielt auch mal mit schrägeren Klängen, ohne dadurch anstrengend zu wirken. Ein absolut gelungener Import aus der Schweiz!

Verena Düren