Hein © F. Schindelbeck

Just Music Beyond Jazz Festival

Wiesbaden

Von Frank Schindelbeck. Mit einer Trio-Premiere begann das Just Music Beyond Jazz Festival 2019. Schlagzeugerin Lucía Martínez, Uwe Oberg am Flügel und Kontrabassist Joe Fonda trafen sich erstmals gemeinsam auf der Bühne und zogen die Zuhörer brillant ins Festival. Mit der Konzentration und Frische der ins kalte Wasser Geworfenen. Tastend, suchend und sich überraschend schnell zusammenfindend, und dann in einem wunderbar stimmigen Klanggeflecht miteinander improvisierend – Faszination Jazz.

Die Just-Music-Kuratoren Uwe Oberg und „Jazzarchitekt“ Raimund Knösche sind ganzjährig engagierte Jazzveranstalter in Wiesbaden, aufmerksam mit offenen Ohren in die Improvisationsszene lauschend. Kenner des Festivals erwarten daher statt musikalischer Annehmlichkeiten herausfordernde Hörerlebnisse. Wie das mit Isabelle Duthoit und Franz Hautzinger. Der Trompeter aus Wien spielt lippenschonend. Das Trompetenspiel fast nur ein elektronisch verstärktes Pusten aufs Mundstück, perkussive Grundlage, Begleitung und Widerpart für die neben ihm singende Isabelle Duthoit. Singen? Es ist ein Geräuschkunstwerk, das sie aus ihrem schmalen Körper presst. Kehlige Laute, als würde ein toll gewordener Kobold im Bauch rumoren, und kieksende Vögel in der Kehle. Fremdartige Musik im Forum Kultur, unerhört, beyond Jazz eben. Und trotz Elektronik eine erdige, schamanenhafte Musik.

Solche wird in der Jetztzeit auch mit Kopfhörer und Laptop zelebriert. Schlagzeuger und Elektroniker Martin Brandlmayr im Zentrum des Trios Radian macht es vor. Mit elektrifizierter Tanzmusik, die nicht unbedingt zum Tanzen einlädt. Ein Schlagzeuger, der gegen und mit seinem Laptop spielt, eine brodelnde Trio-Klangsuppe mit einer Unzahl von Aromen. Ähnlich zu Beginn des zweiten Festivalabends Philipp Groppers Philm mit einer akustischen Variante der Kompositionskühle: Musik, bei der die enge Verzahnung von Komposition und Improvisation etwas Zeit braucht, um sich zu entfalten. Vielleicht ist es auch nur die Anlaufzeit, die Zuhörer brauchen, um die große Freiheit der Interaktion des Quartetts zu erlauschen.

Auf dem Warnschild: Beyond Jazz! Nicola Hein, Gitarrist und Soundartist (Selbstbezeichnung) fordert und polarisiert mit Klang und Geräusch. Die Gitarre ist Schaltzentrale der Klangerzeugungsmaschine – und „Geräusch wird als Tonqualität angesehen“, wie Hein einmal erläuterte. Ein ureigensinniges Konzept von Improvisation. Brachiale Lautstärke erweitert das Erlebnis ins Physische, das Vorenthalten von gewohntem Rhythmus, von Melodie oder Wohlklang verlangt vom Hörer Hingebung oder Ertragen.

Ein Versöhnungsangebot zum Ausklang des Festivals mit Jan Klare 2000. Das Sextett mit Michael Vatcher, Bart Maris, Wilbert de Jode, Steve Swell und Elisabeth Coudoux betörte mit Spiellust und opulenten Klangfarben. Ausbalancierte Schönheit auf dem schmalen Grat von Komposition und Improvisation. Und eine Demonstration der Leichtigkeit des freien Jazz. 2000 weckte Vorfreude auf 2020, auf die 15. Just-Music-Ausgabe.