Tingvall Trio

Dance

Skip / Soulfood

5 Sterne

Freunde des lyrischen und poetischen Jazz dürfen sich immer ganz besonders freuen, wenn Martin Tingvall und Kollegen eine neue Platte rausbringen. Das Tingvall Trio zu loben, hieße Eulen nach Athen tragen – die Band ist bekanntermaßen mehrfach ausgezeichnet und ihre Veröffentlichungen erreichen regelmäßig Gold-Status. Der Titel der neuen Platte ist so schlicht wie bezeichnend. Der Track „Cuban SMS“ und die Probleme, bei selbigem still sitzen zu bleiben, brachte das Trio auf die Idee, eine reine Tanzplatte zu machen. Mit dieser führen sie den Hörer um die Welt von Tokio über Spanien, Kuba, den Orient oder auch nach Lateinamerika. Ist man tanzaffin, so erkennt man beim Hören problemlos die Tänze und ihre typischen Charakteristika. Und dennoch: Natürlich bleibt das Tingvall Trio nicht völlig bei diesen Schemata oder Grundrhythmen, sondern verjazzt sie auch. Das gelingt so organisch und selbstverständlich, dass man beim Hören gar nicht mehr sagen kann, wo die Übergänge zwischen typischen Tänzen und dem freieren Spiel eingesetzt haben. Es wäre jedoch keine Tingvall-Platte, fänden sich nicht auch wunderschöne ruhige Melodien wie beispielsweise „Det Lilla“ oder „In Memory“. Das Trio, bestehend aus Martin Tingvall (p), Omar Rodriguez Calvo (b) und Jürgen Spiegel (dr), wirkt wie aus einem Guss, wie ein Klangkörper und dabei jeder Musiker hochvirtuos. Schlicht und ergreifend ein absoluter Hörgenuss!

Verena Düren

Shalosh

Broken Balance

ACT / Edel:Kultur

4 Sterne

Shalosh ist das hebräische Wort für drei und passt somit als Bandname für das Pianotrio aus Tel Aviv perfekt. Gadi Stern am Klavier und sparsam eingesetztem Synthesizer, David Michaeli am Kontrabass und Matan Assayag am Schlagzeug sind typische Kinder der 90er Jahre. Die Mittzwanziger lassen in ihrem Klaviertrio alle Stile verschmelzen, die für sie wichtig sind. Da kommen Einflüsse wie Johannes Brahms, The Bad Plus, Nirvana und elektronische Musik zusammen, auch Energie und Lautstärke der Rockmusik schaffen es, Shalosh auf das Format Klaviertrio zu transferieren. Die zehn Kompositionen (bis auf Kurt Cobains „Breed“ alles eigene Stücke des Trios) haben deutliche Formen und wuchtige Grooves, die in interessanten Breaks aufgelockert werden. Poppige Elemente in schlichten Melodien samt brachialer Energie lassen oft vergessen, dass Shalosh eigentlich ein Jazz-Klaviertrio sind. Der andere Umgang mit der traditionellen Instrumentierung, den Esbjörn Svensson vor über 25 Jahren angeschoben hatte, hat die drei Israeli sicher auch mit beeinflusst. Tanzbar, laut, virtuos, energiegeladen – das sind Worte, mit denen sich die Musik des Trios beschreiben lässt, doch auch die weicheren Seiten, das Leise, Balladenhafte, bleiben nicht außen vor. „The Last 8th of April“ zeigt, wie große Spannungsbögen aufgebaut werden können, wie die Melodie wieder ganz zurückgehen kann, der Bass kleine Parts der Melodie mit übernimmt, bevor wieder Noise und brachiale Grooves zuschlagen.

Angela Ballhorn

Darrifourcq-Hermia-Ceccaldi

Kaiju eats Cheeseburgers

Hector / Broken Silence

5 Sterne

In voller Absicht und ganz subjektiv: fünf fette Sterne! Warum? Ganz einfach: Sylvain Darrifourcq war gerade zu einem meiner Lieblingsschlagzeuger geworden (und er wird es auch ganz sicher wieder), als man kurz darauf live schon keine Drummer mehr auf der Bühne erleben durfte. Er kann wie ein (analoges!) Uhrwerk Rhythmus machen, zählt Geräusche zu seinem Repertoire, setzt diese dramaturgisch ein und ist dann wieder ganz der perkussive Jazzdrummer mit großartigem Einfallsreichtum. Valentin, der weniger exaltiert auftretende der Ceccaldi-Brüder, ist für mich schlicht einer der innovativsten Cellisten der aktuellen Musik. Und Manuel Hermia kann genauso berserkerhaft wie Brötzmann sein, bleibt aber im Gegensatz zu diesem immer bei seinen Kollegen und ist eben auch in der Lage, richtig intensiv und ruhig Musik zu machen. Am wichtigsten aber ist, dass diese drei zusammen für mich lebendige Gegenwartsmusik schlechthin machen – und ich es nicht mehr lange ertragen werde, so etwas nicht auch live zu erleben, im Wechselbad von energetisch aufgeladen über völlig begeistert bis zu emotional mitgerissen, durcheinandergewirbelt und dann wieder beruhigt von rhythmischer Präzision. Und noch ein Klischee: Ich liebe an den Franzosen die Konsequenz, mit denen sie ihr Ding machen und dabei elegant cool bleiben. Ich kenne nichts beruhigend Aufregenderes, als gerade das meditative „Disruption“ gehört zu haben, um danach mit „Bye Bye Charbon“ zerfetzt zu werden. Jazz ist Vielfalt und – Jazz lebt!

Jan Kobrzinowski