Trans4JAZZ

Ravensburg & Weingarten

© Hans Bürkle

Von Christoph Giese. Ein wenig scheint sie selbst immer noch erstaunt, wie sich ihre aktuelle Lebenssituation so darstellt. Die Kinder aus dem Haus, somit eigentlich neue Freiheiten, die sie mit ihrem Mann, dem Sänger Max Herre, für Dinge wie Reisen nutzen wollte. Stattdessen würden sie beide mehr arbeiten als zuvor, erzählt Joy Denalane beim Auftaktkonzert ihrer Tour im historischen Konzerthaus von Ravensburg. Der Abend ist auch der Auftakt zum Trans4JAZZ-Festival in der Stadt. Deutschlands Soul- und R&B-Stimme Nummer eins und ihre Band schlagen in dem zweistündigen Auftritt auch einen Bogen zum Beginn der Karriere der 50-jährigen Sängerin, als sie ihre Soulmusik noch auf Deutsch sang. Denalane zeigt sich in Ravensburg als stimmgewaltig mit Attitüde, mit klarer Einstellung zu Rassismus und Ungerechtigkeit, aber auch als gute Unterhalterin mit Liebe zu Motown-Klängen und Jazz.

Ein Festivalhöhepunkt war in jeder Hinsicht der Auftritt von Heiri Känzig’s Travelin’. Spielort des wundervollen Konzerts war die gemütliche Zehntscheuer in der Altstadt von Ravensburg, ein ehemaliges Lagerhaus aus dem 14. Jahrhundert. In der sechsköpfigen Band, geleitet vom Schweizer Kontrabassisten und musikalischen Weltenbummler Heiri Känzig, vereinen sich Spitzensolisten wie der lyrisch-expressive Schweizer Flügelhornist Matthieu Michel oder der virtuose, am Puls der Zeit aufspielende tunesische Oud-Spieler Amine M’raihi zu einer echten Einheit. Die Musik entzieht sich der Kategorisierung, changiert zwischen melodischem Jazz und orientalischen krummen Metren, blickt hinaus in die Welt und klingt dabei verführerisch vielfältig und aufregend. Das Besondere an diesem Abend: Die eigentliche Sängerin der Band war erkrankt. So musste Känzig kurzfristig Ersatz suchen und fand die fantastische Raphaëlle Brochet. Und die Französin, die hörbar jahrelang in Südindien Gesang studiert hat, zeigte mit ihrem fantasievollen, lautmalerischen, immer wieder überraschenden Gesang, dass sie den positiv strahlenden Weltjazz des Ensembles komplett verstanden hat.

Das Trans4JAZZ schlug wieder einen weiten musikalischen Bogen. Mit Bands wie Fieh und GoGo Penguin und einem preislich deutlich reduzierten „Youth Ticket“ sollte vermehrt ein junges Publikum angelockt werden. Beim Oktett Fieh um die charismatische Sängerin und Frontfrau Sofie Tollefsbøl weiß man musikalisch gar nicht so genau, wo man ist. Aber die tanzbaren, groovenden und organisch warm klingenden, süffigen Easy-Listening-Songs aus Soul, Funk, Pop und Jazz der Norweger machen einfach Spaß und reißen mit. Welch ein Kontrast zum klinisch perfekten Konzert von GoGo Penguin am folgenden Abend. Alles ist bei dem so angesagten Trio aus Manchester durchgetaktet. Genau 90 Minuten Konzertdauer, jeder Song perfekt konstruiert. Überraschungen: keine. Das mag man unaufregend und auf Dauer eintönig finden. Aber die Briten haben den Bogen raus, einen akustischen Jazzklaviertrio-Sound durch elektronische Erweiterungen, minimalistische Melodiekürzel und frickelige Drumbeats zu hypnotischen, soghaften Klanglandschaften anwachsen zu lassen.

Oscar Jerome für den Ausklang des fünftägigen bunten Festivals zu buchen, war eine perfekte Idee des engagierten Trans4JAZZ-Teams um Programmmacher Thomas Fuchs. Denn der Sänger und Gitarrist aus Norwich lockte noch mal viele junge Menschen an, um mit seiner von Congas, Schlagzeug und E-Bass unaufhörlich angetriebenen coolen Musik zwischen Soul, Funk und NuJazz für beste Stimmung und mindestens wippende Füße zu sorgen.