Triennale – The Prequel

Monheim

Ava Mendoza © Rainer aus dem Kahmen

Von Jan Kobrzinowski. Monheim am Rhein, Mitte Juli: Auch hier kämpfen Menschen mit den fatalen Folgen von Starkregen und Sommer-Hochwasser. Kaum vorstellbar, dass knapp zwei Wochen zuvor am Ufer des mächtigen Stromes friedlich ein zum Konzertschiff umfunktionierter Flussdampfer namens „Rhein-Fantasie“ lag, für drei Tage Schauplatz für Einzigartiges, mit 15 konzerthungrigen internationalen Musiker*innen und einer ebensolchen kleinen Anzahl Besucher*innen.

The Prequel ist ein Vorgeschmack für die erste „richtige“ Triennale im Jahr 2022. Festivals mit Workshop-Charakter sind nichts gänzlich Neues, ein Konzept mit möglichst vielen ergebnisoffenen Events aber schon. Der erste Coup gelingt dem Triennale-Team schon mit der Round Robin für improvisierende Musiker. Carla Bleys Meisterwerk Escalator over the Hill hatte Festivalchef Reiner Michalke locker als Motto über das gesamte Prequel gehängt. Nun inspiriert es eine spielerische Impro-Wechselrunde: erst ein Solo, dann wechseln sich Duo-Partner*innen ab, und am Ende wieder eine Solistin. So lernt man sich wirklich kennen. Ein weiteres Ziel der Triennale, ausdrücklich kein weiteres Jazzfestival, ist die Diversität von Stilen, Genres und Klangfarben. Es entsteht – beabsichtigt – Musik der extremen Gegensätze. Der Liederabend von Folk-Avantgardist Sam Amidon („Just singing campfire songs we like – please enjoy!“) mit der Sängerin Sofia Jernberg, Stian Westerhus‘ intensive Gitarren- und Vokalperformance, Ava Mendozas rockendes Avantgarde-Gitarrentrio und Colin Stetsons Solo- und Duoauftritte sind nur ein paar der wohltuenden Wechselbäder auf einer Reise durch die aktuelle Musiklandschaft nach langer Abstinenz.

Musiker*innen und Publikum dankten es überschwänglich. Hygiene und Abstand – auf einem Schiff mit großem Konzertraum und kleinem Publikum alles kein Problem. Auf dem Sonnendeck folgen, noch besser belüftet, spätabends DJ-Sets des deutschen Klangperformers Phillip Sollmann und der Allroundkünstlerin Hibo Elmi aus Uganda. Immer wieder auffallend im Konzertbetrieb sind der umtriebige Amidon mit Five-String-Banjo, Fiddle und Gitarre (kleines Highlight: sein Duo mit dem lokalen Musiker Koray Berat Sarı an Saz und Oud in Monheims Café Goldener Hans), Ingrid Laubrock als leidenschaftliche Vertreterin des Jazz-Aspekts, der sensible und kraftvolle Greg Fox am Schlagzeug sowie der Kontrabass des überall einsetzbaren Robert Landfermann. Kaum zu glauben, was für Kombinationen möglich sind.

Stian Westerhus © Rainer aus dem Kahmen

Sicher kann vieles von dem, was sich die Triennale für Normalbedingungen vorgenommen hat, während dieser drei Tage nur angedeutet werden: Einbezug von Monheimer Bürgern und lokalen Künstler*innen, neue Verknüpfungen an wechselnden Schauplätzen. Umso gespannter darf man auf 2022 sein. Im Übrigen zeigt Monheim, was Mehrausgaben für Kultur und Bildung bewirken können: Die gut ausgerüstete städtische Musikschule bietet jedem, also auch dem nicht gut situierten Kind für drei Jahre ein Leihinstrument samt Unterricht. Die Folge könnte, wenn nicht ein Haufen neuer Jazzer*innen, so doch zumindest einige für freie Musik und Kultur offene junge Menschen mehr sein. Das zeigt eindrucksvoll die Orchester-Performance von etwa 20 Kindern, dirigiert von Residenz-Musiker Achim Tang und flankiert von vier der angereisten Profis: Landfermann, Westerhus, Fox und als allgegenwärtiger Multiinstrumentalist und unvergleichlicher Motivator Shahzad Ismaily. Das war weit mehr als der rührende pädagogische Versuch, die Jüngsten an Carla Bleys Musik heranzuführen. Hier ging es wirklich um Aha-Erlebnisse auf beiden Seiten. Anekdote am Rande: Bei der kulturellen Stadtrundfahrt mit Bürgermeister Daniel Zimmermann bremste ein tiefergelegtes SUV die kleine Besuchergruppe in ihrem Kleinbus aus. Aus dem Fenster lugte der Fahrer und zeigte ihm – nein, nicht den Stinkefinger, sondern den Daumen hoch: „Super gemacht, Bürgermeister!“ So viel zur allgemeinen Stimmung in einer kleinen Stadt, die drei Tage, zumindest in Teilen, im Zeichen innovativer Musik stand.

Sofia Jernberg © Rainer aus dem Kahmen