Unit Records
Teamplayer unter sich
Seit 1983 gibt es das Schweizer Label Unit Records, im Laufe der Jahrzehnte hatten unter anderem Jürg Solothurnmann, Lucas Niggli und zuletzt Harald Haerter die Labelleitung inne. Nach fast 20 Jahren zieht es den Gitarristen Haerter zurück auf die Bühne, im November 2023 gab er den Staffelstab weiter an die beiden Bassisten Andreas Waelti und Luca Sisera. Und die haben große Pläne und konkrete Erwartungen, was ein Label leisten sollte.
Von Angela Ballhorn
Synergien sind für die beiden Bassisten dabei essenziell. Nicht nur Musiker sollen zusammenfinden, sondern das Label auch länderübergreifend verpartnert werden. So gibt es bereits Unit-Live-Konzerte im Züricher Moods, dem Wiener Porgy & Bess oder der Unterfahrt in München. Luca Sisera erklärt: „Acts im europäischen deutschsprachigen Raum auf die Bühne zu stellen und langfristige Partnerschaften mit Clubs zu pflegen, ist ein Ziel. Als ausübende Jazzmusiker haben Andreas und ich gemerkt, dass man in den letzten zehn Jahren mehr mit dem Computer als seiner Musik beschäftigt ist. Wir müssen Videos produzieren, das Booking machen, eine hohe Visibilität in den sozialen Medien erreichen, in den Fachmagazinen, Airplay bei den Radiostationen. Das hält einen langfristig davon ab, musikalisch in die Tiefe zu gehen. Wir wollen die Leute vom Computer wegbringen und Angebote schaffen, damit die Künstler*innen sich wieder nur um ihre Musik kümmern können. Insbesondere im Impro-Bereich ist Inspiration essenziell wichtig. Im Jazz will man sich jeden Abend neu erfinden, das braucht Inspiration. Dafür ist ein offener Geist nötig, und der Computer klaut Geist.“
Das Label konnte eine Residency für seine Künstler einrichten. Zweimal im Jahr stellt Unit zehn Tage lang ein Haus mit Steinway-Flügel in den Bergen von Graubünden zur Verfügung. „Das Haus ist das letzte in einer Sackgasse, ganz abgelegen und ruhig. Wir können bis auf das Essen alles bezahlen und übernehmen Aufenthalt, Flügelstimmung und Reisespesen.“ Die Kompositionen, die dort entstehen, sollen in einer speziellen Edition erscheinen, die von Niklaus Troxler gestaltet wird. Der Grafiker und Gründer des Jazzfestivals Willisau bekommt eine eigene Reihe bei Unit und gestaltet zu Alben, die ihn ansprechen, das Artwork. Aktuell erscheint in der Troxler Art Edition Moritz Stahls Traumsequenz.
Die stilistische Bandbreite des Labels von Mainstream bis Freejazz und elektronischer Musik soll beibehalten werden, ist allerdings ein ziemlicher „stilistischer Dschungel“, wie Luca Sisera es nennt, deshalb wurde der Unit-Katalog in verschiedene Editionen unterteilt. Die Troxler Art Edition ist stilistisch ungebunden, die Gamma Edition umfasst den regulären Katalog. In der Omega Edition wird elektroakustische und elektronische Musik platziert, in der Zeta Edition frei Improvisiertes. Für das Label besonders wichtig ist die Nachwuchsarbeit. In der dafür geschaffenen Alpha Edition erscheinen jährlich nur sechs Alben, die aber besonders promotet werden. Neben der engen Zusammenarbeit mit der Schweizer Zeitschrift JAZZ’N’MORE werden den Künstler*innen Mentor*innen zur Seite gestellt, die die Bands in regelmäßigen Abständen betreuen. Dabei kann es um Bereiche wie soziale Vorsorge oder Karriereplanung gehen. „Von einigen Mentorinnen haben wir schon fixe Zusagen, das sind Eva Klampfer aus Wien und Lucia Cadotsch. Die kümmern sich um unsere Alphas, um deren Karrieren anzuschieben.“ Andreas Waelti ergänzt: „Unit steht schon lange für Nachwuchsarbeit. Viele Künstler hatten hier ihr Debüt wie zum Beispiel Hildegard lernt fliegen. Dieser Legacy wollen wir treu bleiben. Das ergänzende Mentoringprogramm finden wir sehr wichtig.“
„Schwarmintelligenz“ ist das Stichwort, das Luca Sisera noch einwirft: „Wir üben den Beruf schon Jahrzehnte aus und zapfen unser Netzwerk an, setzen auf den Kollektivgedanken, dass wir teilen und einander helfen können.“ Gemeinsam etwas zu bewirken, das über die Veröffentlichung von Musik hinausgeht, ist den beiden Labelleitern wichtig. Der Name Unit soll wieder Programm werden, die Künstler sollen mit der Residency oder dem Mentor*innenprogramm unterstützt werden. Auch ein editionsbezogener Aboservice soll entstehen. „Wenn jemand nur eine Omega Edition haben möchte, weil er sich exklusiv für elektronische Musik interessiert zum Beispiel. Ein Newsletter ist in Arbeit, damit wir auf den Konsumenten zugehen können. Ab Juni kommt eine labelinterne Booking-Agentur dazu.“
Bleibt noch die Frage nach der Doppelspitze, und warum ausgerechnet zwei Bassisten die Leitung übernommen haben. Andreas Waelti erzählt: „Mit Harald hatte ich immer wieder Kontakt, meist als Sideman. Er hat mich gefragt, ob ich die Labelleitung übernehmen wolle. Alleine wollte ich Unit aber nicht machen.“ Luca Sisera ergänzt: „Letzten Endes ist es Corona geschuldet. Andreas und ich hatten total unterschiedliche Sachen zu Corona-Zeiten gemacht, er solo, ich großorchestral mit 50 Leuten auf der Bühne. Ich habe beim Komponieren gemerkt, dass ich nicht dirigieren und gleichzeitig spielen kann. Nachdem ich Andreas’ Solo-Clips gesehen hatte, habe ich ihn engagiert und schätzen gelernt. Bassisten sind am sozialsten, wir sind halt Teamplayer!“
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Aktuelle Veröffentlichungen:
Fabio Gouvea: Desvio
Vilkka Wahl KAIHO: Quasicrystal
Landgraf / Lefeber / Koch: Restless Response
Emmanuelle Bonnet: Préludzet Menuet
Moritz Stahl: Traumsequenz
Marc Mezgolits: Unchanging
Niklouds: Resilience
Nancelot: Nancelot
alpha-ray: The Glasshouse
Duo Voltige: Maiden Flight
Marc Méan Fields: Mist
Dominic Egli PLURISM: Umhlangano