Ystad Sweden Jazz Festival

Ystad

JazzKidz Flax © Anna Rylander

Von Frithjof Strauß. Jetzt kann man mit einer Speedfähre von Rügen nach Ystad düsen. Backbords gleiten noch die Kreidefelsen vorbei, aber dann dreht der Skåne Jet voll auf und brettert über die Ostsee, nach zweieinhalb Stunden ist man da. Galten an Bord noch strenge Maskenregeln, so strahlte das Publikum in Ystad aus maskenbefreiten Gesichtern, schüttelte Hände und umarmte. Allerdings halbierte die Schachbrettbestuhlung die Gästezahl. US-Acts fehlten zum Vorteil von europäischen Entdeckungen und Bands aus Schweden und Kopenhagen.

Arild Wahl © Anna Rylander

Cirkeline, Coco
och den vilda
noshörningen © Harri Paavolainen

Festivalchef und Pianist Jan Lundgren hatte mit dem Bassisten Georg Riedel (87) den legendärsten Jazzer des Nordens eingeladen. Im Duo erinnerten sie an dessen 1964 mit Jan Johansson aufgenommenes Album Jazz på svenska – die erfolgreichste Platte im Schwedenjazz überhaupt. Alte Folkweisen interpretiert im Spirit von Oscar Peterson. Nachdem Lundgren beim Auftritt mit Emile Parisien zu Abstrakterem gedrängt war, konnte er mit Riedel schöne Melodik aufbauen. Riedel selbst, frisch wie ein Fisch, konterte mit verschmitztem Spiel- und Wortwitz.

Eine schöne Ergänzung war die Interviewveranstaltung mit seinen lebhaften Erzählungen, z.B. über die Einspielung von Jazz på svenska, die nicht zuletzt wegen der folkigen Temperierung durch den Klavierstimmer so gut gelang. Astrid Lindgren ließ ihn gemeinsam mit Johansson die Kindermusik jazzig neu definieren, so in den Pippi-, Michel- und Bullerbü-Filmen. Dabei basiert Johanssons Pippi-Thema auf einer Platte des Polizeichors von Ghana. Seine eigenen Melodien sieht Riedel, der 1938 mit seinen deutsch-jüdischen Eltern aus Karlsbad emigrierte, in der zentraleuropäisch-jüdischen Tradition. Dass sie von den Schweden als Gipfel ihrer kollektiven musikalischen Identifikation verehrt werden, verwundert und freut ihn umso mehr. Er besucht jetzt einen Jiddisch-Kurs.

Das Konzert von Yamandu Costa an der siebensaitigen brasilianischen Gitarre verblüffte voll. Rasant und rabiat erklangen Melodie, fetzende Improvisation, Basslinie und ein knatternder Ameisenhaufen an Verzierungen zur gleichen Zeit, während Costa sich auf dem Stuhl wand. Klassische Música Popular Brasileira sang Rosalia de Souza mit lichter Stimme zwischen Nara Leão und Elis Regina. In ihrer dänischen Band erfreute Pianist Steen Rasmussen mit der Kunst dezenter Bossa-Fill-ins, während Saxmann Hans Ulrik wie Stan Getz lossurfte.

Auch im großen, hellen, neu eröffneten Restaurant Saluhallen (Markthalle), das neues Leben in ein weniger besuchtes Ende der innerstädtischen Ladenzone bringt, sorgte Latin-Musik für einen serenen Sommer. Die temperamentvolle Argentinierin Lily Dahab mit brodelnder Band aus Berlin ließ das Publikum auch schwierige Passagen mitsingen. Zum kommunikativen Höhepunkt der bereits zum dritten Mal eingeladenen Künstlerin wurde Djavans „Fato Consumado“. Caroline Henderson hatte weniger Erfolg, weil sie ihre Jazz- und Rocksongs mit pastosem Pathos vortrug. Das war zu plakativ und nicht authentisch. Ein perfektes Konzert spielte dagegen Sängerin Vivian Buczek mit ihrem neuen Saxofonpartner Seamus Blake – zwei Energiebündel auf einem halsbrecherischen Straight-ahead-Trip.