Ystad Sweden Jazz Festival

Ystad

Cyrille Aimee © Harri Paavolainen

Von Frithjof Strauß. Eigentlich ist es nicht so originell, wenn ein Mundharmonikaspieler „In the Spirit of Toots“ Thielemans spielt. Im Fall von Filip Jers zusammen mit dem an Bill Evans angelehnten Carl Bagge Trio war dies beim Ystad Sweden Jazz Festival jedoch eine Bereicherung, denn hier wurde von der langen Liaison des Belgiers zu Schweden erzählt. Er beherrschte die Sprache, wirkte in Revuen und Kinder-TV mit, nahm schöne Platten auf. Jers spielt wie Thielemans Stücke, die zum Schatz der schwedischen Sommerlieder zählen, darunter Evert Taubes Walzer über ein Tanzpaar auf der Insel Sunnanö. Das Instrument findet genau den leicht wehmütigen Ton. Ebenso in Thielemans „Bluesette“, die auf Schwedisch „Bedårande sommarvals“ („Betörender Sommerwalzer“) heißt. Das gibt es gleich noch einmal, denn so startet das Jazz-Chanson-Konzert des Allroundakkordeonisten Bengan Janson. In der Folge betört er mit einer Hommage an seinen Instrumentenkollegen Sivuca aus Brasilien, der gleichfalls ein Herz für Schweden hatte.

© Markus Fägersten

Die Gotland Big Band, eines der drei professionellen Jazzorchester des Landes, überrascht mit Scores im Stil von Thad Jones, unterlegt von Kuba-Metren. Gast Eliel Lazo trommelt aus einem Guaguancó den Samba hervor, und eine vierköpfige Flötensektion lässt die Sonne scheinen. Vokal-Highlight ist Cyrille Aimée, deren Songmodellierungen seit ihrem letzten Besuch 2016 noch pointierter klingen. Sie springt auf den Walking Bass und krönt ihn mit energischem Ella-Scat.

Festivalleiter Jan Lundgren spielt im Quartett mit Ulf Wakenius ein „Tribute to Oscar“ Peterson, dessen Album Night Train ihn einst als Teenager zum Jazzpiano bekehrt hat. Das Titelstück, optisch unterstützt vom Plattencover mit der brausenden Lokomotive, ist reinste Zug-Power. Herrlich, dies einmal live zu erleben, ebenso wie viele von Petersons Kompositionen, die allesamt Jazzstandard-Status verdienen. Nun spielt Lundgren nicht ganz so funky wie Peterson und hat auch nicht dessen Löwenpranken. Wenn er im Glissando mit dem Zeigefinger die Tastatur runterratscht, hofft man, dass das nicht schmerzt. Größeres anatomisches Gewicht hat der als „Danish Piano Star“ angekündigte Zier Romme, dem im Alvin Queen Trio eine hervorragende Peterson-CD gelungen ist. In Ystad stellt er sein Licht allerdings unter den Scheffel, als er in einem anonymen Quintett das Real Book durchforstet. Hyggejazz statt Virtuosität.

Und bei all dem ist man in der idyllischsten Kleinstadt Schwedens. Die Sonne scheint, der Geruch von Dill und Lachs liegt in der Luft, und auf dem Marktplatz ertönt „Hej Pippi Langstrumpf“ von einem Saxofon. Da kommt auch schon Nicole Johänntgen um die Ecke, die es spielt und schlendernd klingende Festgirlanden in den Straßen spannt. Doch beim Zwischenteil („Ich hab ein Haus…“) wird stutzig, wer die TV-Serie im schwedischen Original gesehen hat, denn in der Originalversion fehlt dieser domestizierende Zwischenteil. Der deutsche Filmkomponist Konrad Elfers hat hier, ebenso wie im übrigen Soundtrack, den Jazzspirit herausgebügelt, als wäre es ein Heimatfilm. Pippi war wild und frei, aber den Jazz wollte man uns nicht zumuten.