Ystad Sweden Jazz Festival

Ystad

© Markus Fagersten

Von Frithjof Strauß. Ein neuer Anfahrtsweg via Trelleborg. Von dort fährt der Bus eine Stunde auf der Küstenstraße; ein Trip durchs Sommerwunderland, ständig mit besonntem Meerblick hinweg über gelbe Stoppelfelder, durch puppige Dörfer mit Töpfereien, Eisdielen und Badehotels, bevölkert von glücklichen Ferienfamilien. Die Euphorie endet nicht, als Jan Lundgren, der Act-Auswähler des Ystad Sweden Jazz Festival, gemeinsam mit Lars Jansson auftritt – zwei Klaviere mit direktem Draht ins Elysium von Tatum, Peterson, Monk und Evans. Jedes Solo ist wie ein Lied ohne Worte nachsingbar und gerne romantisch.

© Harri Paavolainen

Die 15. Ausgabe des YSJF gerät sonniger denn je, da volle acht der 23 Hauptacts Latin-Music bieten. Bei Kerzen unter dem gekalkten Gewölbe der Klosterkirche trompetet und singt die junge Alba Armengou aus Barcelona zur Gitarre Lieder aus den iber(oamerikan)ischen Traditionen. Die klare Stimme moduliert die Gefühlslagen der Songs dermaßen zärtlich bei gleichzeitig gefasster Hingabe, dass die Schönheit zu Tränen rührt. Statt gelehrter Ohren jetzt Wellen der Überwältigung; etwa zu João Gilbertos frühen Sambas und kubanischen Filin-Boleros. Auch ein João-Bosco-Lied erklingt – com doçura. Zu allem Jubel kommt der echte Bosco tags darauf selbst. Das jazzige Quartett des 78-Jährigen spielt seine prägnantesten Hits, die er in gestochener Rhythmik singt. Samba reißt super mit, auch wenn man die Lyrics nicht versteht.

Es folgt Sylvia Vrethammar, auch bald 80, in einer Show mit Jazzstandards, Pop und Brasil, die Stimme wunderbar herb. Der Saal, dessen Reihen sie agil durchzischt, ist hingerissen. Sie interpretiert sehr farbig und unterstützt ständig mit Mimik und Gestik. Die Entertainerin mit Klasse und Humor gerät ganz aus dem Häuschen, als Ricardo Silveira auftaucht, Boscos Gitarrist: „In den 80ern haben wir in Rio aufgenommen. Und wo treffen wir uns nach all den Jahren wieder? Ausgerechnet in Ystad!“ Er erklärt: „I like Wallander.“ Ein gemeinsames Liedchen ist auch noch drin.

© Anna Rylander

Weitere Latin-Glanzpunkte gibt es mit Jan Lundgren und Yamandu Costa, der seine eilige Gitarrenvirtuosität herunterfährt, um südlich-nordische Melodien, meist Originals der beiden, soloreduziert zu genießen. Im Hintergrund Bonfá, Jobim, Legrand, der Schwede Taube und nolens volens dänische Romantik. Swingpianistin Sarah McKenzie stellt mit einer Stimmlage wie Helen Merrill ihr stimmiges Bossa-Album vor. Dabei spielt Ulf Wakenius, der in mehreren Acts beim YSJF auftritt, unbegleitet und brasilgewandt ein Medley mit Stücken des traurigen Luiz Bonfá und des lustigen Egberto Gismonti. Klassik à la Villa-Lobos kann man mit dem hochmeisterlichen Gitarrenduo Siqueira Lima erleben. Das Paar ist so perfektioniert, dass es ein rasendes „Tico tico“ aufführt – mit vier Händen auf einem einzigen Instrument! Ein weiterer Star-Instrumentalist ist Monsterdrummer Billy Cobham, in dessen Band Perkussionist Marco Lobo auf den Schultern Airtos trommelt und ein Berimbau-Solo einbaut. Tributes an Putte Wickman, e.s.t., Duke Ellington, Georg Riedel und Alice Babs halten die schwedische Jazzgeschichte warm. Am letzten Tag steigt unweit der Stadt die „Gardenparty“ im Schlosspark von Charlottenlund mit gleich zwei Bigbands. Mezzoforte setzen die Sahneschicht drauf und feiern die optimistische Antiaskese im Jazz, die so typisch für Ystad ist.

© Anna Rylander