
Louise Knobil © Jacek Brun
54. Internationale Jazzwoche
Burghausen
Von Ulrich Habersetzer. „Der Jazz“, ausgesprochen „Tschääs“ oder „Tschess“ ist in Burghausen, dieser Kleinstadt am Ostrand Bayerns, ein Ort. „Der Jazz“ hat hier erst mal nichts mit einem Genre zu tun, sondern mit einer sozialen Unternehmung. Denn dort, beim „Jazz“, treffen sich die Menschen in Burghausen. Sehr unterschiedliche Menschen begegnen sich dort, manchen sind viele Spielarten dieses Genres bekannt, andere kennen den „Jazz“ nur flüchtig. Macht nichts, Ende März in Burghausen gehen alle, also fast alle, zum „Jazz“, genießen, durchleiden, feiern und diskutieren ihn. Der „Jazz“ ist ein Ort der Verbindung und der großartigen Kontraste, das war bei der 54. Internationalen Jazzwoche Burghausen deutlich spürbar, und genau das machte die 2025er-Ausgabe des Festivals so gelungen.
Wie einer genialen Eingebung folgend, kürte die Jury des 15. Burghauser Nachwuchs-Jazzpreises das belgische Trio Anaphora zum Gewinner, und so durften die radikal-komplexen Klänge des Klaviertrios die Jazzwoche am Hauptspielort eröffnen. Die 1400 Menschen, die gekommen waren, um den warmen Bariton von US-Starsänger Gregory Porter zu hören, mussten oder durften sich rund 70 Minuten mit den kantigen, mal reduzierten, mal opulenten Tönen des Trios auseinandersetzen, bevor sie zu Porters Stimme, trotz brachial lautem Hallensound, dahinschmelzen konnten.
Und genauso kontrastreich ging es weiter. Vor der wuchtigen, aber auch intensiv-jubilierenden „Wall of Sound“ von Altsaxofon-Star Kenny Garrett und seiner aktuellen Band mit Sängerin Melvis Santa durfte der Burghauser Trompeter Richard Köster mit dem norwegischen Ensemble OJKOS zart-subtile Tongebilde aufblühen lassen. Köster kommt aus der Stadt an der Salzach, lebt aber seit 2016 in Oslo und ist nicht nur ein meisterhafter Komponist, er ist auch ein fantastischer und äußerst fantasievoller Solist. Das war auch spürbar, als er im Burghauser Jazzkeller weit nach Mitternacht nach seinem Konzert gemeinsam mit Henriette Eilertsen, der Flötistin von OJKOS und der amerikanischen Rhythmusgruppe aus der Kenny-Garrett-Band den Jazzklassiker „On Green Dolphin Street“ jammte. Der Jazzkeller, die Clublocation der Burghauser Jazzwoche, glänzte in diesem Jahr wieder durch hinreißende Sessions, aber auch durch ein Weltklasse-Trio, das so auch auf weit größeren Bühnen zu erleben ist: Pianist Lawrence Fields, Bassist Yasushi Nakamura und Schlagzeuger Greg Hutchinson.

© Jacek Brun
Junger Jazz stand an unterschiedlichen Stellen im Fokus der Jazzwoche: Besonders gelungen war das Gastspiel des BuJazzO, des Bundesjazzorchesters, am Freitagabend im Burghauser Stadtsaal mit dem Programm „Irgendwo auf der Welt“, in dem Kompositionen einiger von den Nazis vertriebener Komponisten aus den 1920er und 30er Jahren neu arrangiert dargeboten wurden. Auch das Fabia Mantwill Orchestra und besonders die Band der französischen Bandoneon-Spielerin Louise Jallu überzeugten. Und mit fast 8000 verkauften Tickets können auch die Veranstalter mit dem kontrastreichen Programm zufrieden sein.