The London Column

Zum 60. Geburtstag des Londoner Jazztempels Ronnie Scott’s Club gratulieren wir sehr herzlich. Die Räume des alten Lokals, The Old Place, das am 30. Oktober 1959 in der Gerrard Street in Soho zum ersten Mal die Türen öffnete, waren winzig; der diesjährige Geburtstag dagegen wird im Glanz und der Pracht der Royal Albert Hall gefeiert. Die 5272 Karten für das Geburtstagskonzert waren innerhalb von einer Stunde ausverkauft. Weitere Feierlichkeiten folgen: English Heritage wird eine blaue Gedenkplakette am Haus des Old Place in Gerrard Street anbringen, und Ronnies Witwe Mary fliegt zur Enthüllung aus New York ein.

Ronnie’s beschwört Geschichten, Erinnerungen, eigene Assoziationen herauf. Meine Besuche dort begannen in den 80er Jahren. Ich erinnere mich noch, wie Ronnie selbst an einer Säule lehnte und seine trockenen Witze riss. Und eines Abends war da Stan Getz mit wahnsinnig schlechter Laune und verbrachte mehr Zeit in einer dunklen Ecke der Bar als Musik machend auf der Bühne. Ich war Zeuge der echten Emotionen in den Stimmen von Musikern, die dort ihr Club-Debüt erlebten, von Michel Legrand im Jahr 2011 bis zu Nils Landgren erst vor wenigen Monaten. Und mein Herz schwellt noch mit Stolz bei der Erinnerung an den Tag, als der Trompeter Digby Fairweather mich mit meiner Klarinette zu seiner Band auf die Bühne holte und ich „Pennies from Heaven“ spielte – in F –, so etwas vergisst man nicht.

Einer meiner guten Freunde war Ronnies Anwalt, zugleich eine reiche Quelle netter Klatschgeschichten. Da soll zum Beispiel Ella Fitzgerald auf eine eigene Toilette in ihrer Künstlergarderobe bestanden haben. Dafür musste erst eine Wand durchbrochen werden. Andere Musiker hatten hier ihren ersten großen Karriere-Durchbruch, wie Stevie Winwoods Saxofonist Paul Booth, der hier als Teenager von Airto Moreira entdeckt wurde. Die in Berlin aufgewachsene Natalie Williams und ihre Soul Family bringen immer eine besondere Wärme in den Club; ihre Auftritte dort haben auch zu ihrer Karriere beigetragen.

Der Club ist fast immer ausverkauft, auch weil er ständig auf „future-proofing“ bedacht ist. Das ist sicherlich auch der cleveren Programmierung von Nick Lewis zu verdanken, der starke Verbindungen mit der jüngeren Szene in London geknüpft hat und ständig versucht, ein jüngeres Publikum anzusprechen. Ein junger Bandleader behauptete vor Kurzem dreist in einem Interview, dass er Ronnie‘s dazu überredet hätte, Tische und Stühle zu opfern, um eine Tanzfläche zu schaffen – eine kleine Überschätzung der eigenen Wichtigkeit! Der Club macht das sowieso öfter und mit Erfolg. Also Prost auf die nächsten 60 Jahre!

Jazzjournalist Sebastian Scotney betreibt die Website londonjazznews.com, die dieses Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiert.