© Rigas Ritmi

Rigas Ritmi

Riga

Von Christoph Giese. Wie klingt lettischer Jazz? Ziemlich packend kann er klingen. Zumindest beim Kristaps Vanadziņš Trio ist das so. Der charismatische Pianist und seine beiden Mitstreiter spielten ein starkes Konzert bei der 21. Ausgabe von Rigas Ritmi, dem größten Jazzevent des Landes. Starke Melodien, kraftvolles Interagieren der drei Musiker, durchzogen von lyrischen Momenten, feines Songwriting, frische Klangbilder – diesem Trio zuzuhören, macht einfach durchweg Spaß. Und wer dann am Schluss noch derart gewitzt Gershwins Klassiker „I Loves You, Porgy“ interpretiert, der kann schon fast sicher sein, viel Applaus zu bekommen. Vanadziņš spielte in einer hippen Location direkt am Wasser, unweit der Daugava, des über 1000 Kilometer langen Stroms, der durch Riga zieht bis hinein in die Ostsee. Die Konzerte in diesem coolen halboffenen Kunstzentrum hat das Plattenlabel Jersika Records organisiert, das seiner Bezeichnung alle Ehre macht, veröffentlicht es doch nur Vinyl. Mareks Ameriks hat sein Independent-Plattenlabel 2017 gegründet mit der Idee, überwiegend komplett analog aufzunehmen, um einen warmen organischen Sound zu garantieren. Und mit seiner Bühne hat er in diesem Jahr ein kleines Festival im Festival kreiert, um seine Künstler vorzustellen.

Im Musikhaus Daile, mitten in Riga, schaute kurz zuvor das Quartett Shinkarenko Jazz 4N des litauischen Bassisten Leonid Shinkarenko vorbei mit seinem groovenden Fusion-Jazz, der vor allem durch die beiden gerne auch mal unisono agierenden Bläser Jan Maksimovich und Vytautas Labutis bestechende freie Improvisationen in die durchkomponierten Nummern eingestreut bekam. Und wenn Sängerin Neda, eine der spannendsten Stimmen Litauens, als Gast zur Band stieß, bekam das Ganze durch ihren improvisierten Gesang noch mal eine ganz andere Dimension.

Ein Highlight des Festivals war der Auftritt des Spaniers Antonio Lizana mit seiner Band im großen altehrwürdigen VEF Kulturpalast, ein wenig außerhalb von Rigas Stadtzentrum. Gleich zwei Flamencotänzer waren an diesem Abend dabei, der so ausdrucksstarke Mawi de Cádiz und Lizanas eher elegant agierende Schwester Nieves. Wie Antonio Lizana Jazz mit Flamenco kreuzt, wie er sein heißes Altsax jazzig zum Glühen bringt, um dann mit heiser-betörenden Stimme Flamenco zu singen, das ist einzigartig gut, weil mitreißend, vibrierend, gut durchdacht und gespielt.

Abendliche Jam-Sessions unter freiem Himmel in einem großen Innenhof und bei freiem Eintritt rundeten das Festival ab. Da strömten dann viele junge Leute, von denen einige auch schon zuvor Tickets gekauft hatten, um in einer ebenfalls coolen Location auf demselben Gelände lettische Bands wie das in Ansätzen durchaus schon vielversprechende junge Toms Mikāls Trio zu hören.

Das eine oder andere Bezahlkonzert hätte in diesem Jahr sicher deutlich mehr Publikum verdient gehabt, aber bis wenige Wochen vor Festivalbeginn war nicht klar, ob und wie Rigas Ritmi 2021 würde stattfinden können. Spielorte wurden geändert, immer wieder musste auf die aktualisierten Vorgaben geschaut werden. So etwas verunsichert dann irgendwann auch das Publikum. Aber Festivalleiter Maris Briežkalns ist dennoch froh, das Festival durchgeführt zu haben. Wahrgenommen zu werden, sichtbar zu bleiben, das war und ist ihm wichtig. Und das ist ihm mit der aktuellen Ausgabe auf jeden Fall gelungen.