46. Jazztage

Leipzig

Von Arne Reimer. Am Anfang des Festivals wollte der Funke noch nicht so recht überspringen, als im Eröffnungskonzert in der Leipziger Oper die britische Saxofonistin Nubya Garcia zwischen den gespielten Titeln versuchte, beim sitzenden Publikum Stimmung zu erzeugen. „Ich kann gar nicht glauben, wie still ihr seid.“ Daraufhin wurde ihr aus dem Publikum zugerufen, dass dies an dem noblen Ort liegen würde. Erst gegen Ende des Konzerts standen die Leute nach mehrfacher Aufforderung seitens Garcias auf und tanzten, wozu ihre Musik aus Reggae und Afrobeat durchaus verleitete. Garcia hatte eine erstaunliche Rhythmusgruppe, die durchgehend einen enormen Druck aufbaute, wohingegen die Saxofonistin selbst mit ihren langanhaltenden Tönen völlig unter ihren Möglichkeiten blieb.

Für acht Tage im Oktober an fünfzehn Spielstätten hatten die 46. Leipziger Jazztage zu über 40 Konzerten geladen. Das diesjährige Thema lautete „Talkin ‘bout my generation“, zu dem auch Musiker eingeladen wurden, sich mit Projektvorschlägen zu bewerben. Wieder gab es progressive und experimentelle Musik zu hören, jedoch nicht ganz so viel wie im Vorjahr, weshalb etwa ein sächsischer Stammgast begeistert aus dem Konzert des Moritz Stahl Quintetts kam und meinte, die Leipziger Jazztage hätten die Talsohle überschritten. Vermutlich meinte er den Mut zur Schönheit in der Musik, denn damit konnte nicht nur Schlagzeuger Fabian Arends in jenem Quintett durch sein filigranes Spiel überzeugen.

© Arne Reimer

Auch der aus Chicago stammende Isaiah Collier suchte mit seinem Tenorsaxofon nach einer besonderen Tiefgründigkeit in der Musik, womit er vollkommen dem Trend der aktuellen Retrobewegung folgte. Leider scheiterte er letztlich an seinem eigenen Quartett, das nicht differenziert genug und viel zu laut spielte, allen voran sein Schlagzeuger. Dem Publikum war es egal, es liebte die Intensität und feierte die Entdeckung von Collier, als sei er eine Auferstehung von Sanders und Coltrane. Aber auch die leiseren Töne bekamen auf dem Festival eine Chance, wie das Trio Skylla um Ruth Goller und das Duo Nils Wogram und Joe Sachse bewiesen.

Was Nubya Garcia in der Oper nicht ganz gelang, das schaffte das Quartett von Lucas Niggli mit Kalle Kalima, Luciano Biondini und Andreas Schaerer im Alten Stadtbad: Sie brachten das Publikum von selbst zum Tanzen. Die Stimmkunst von Schaerer beeindruckte durch seine Vielseitigkeit und seinen Witz. Als Überraschung kam am Ende des Konzerts noch ein Gast auf die Bühne – der Gitarrist Kojack Kossakamvwe. Und ein tobendes Publikum hätte gerne mehr als eine Zugabe gehört.