Neuklang

© Steffen Schmid

Konsequent analog

Zehn Jahre, fünfzig Veröffentlichungen – dass das mit gleich zwei runden Zahlen so hübsch passt, ist tatsächlich Zufall. Die Reihe „Studio Konzert“, 2013 vom Neuklang-Label aus Ludwigsburg auf den Weg gebracht, hat sich mit ihren Veröffentlichungen auch jenseits einer auf Audiophiles fixierten Kundschaft etabliert.

Von Arne Schumacher

Studiokonzerte gab es zuletzt definitiv zu viele. Angesichts der Einschränkungen in Pandemie-Zeiten waren zahlreiche Bands, Musikerinnen und Musiker notgedrungen ins Netz ausgewichen und hatten dort in provisorischen oder professionellen Studio-Settings Konzerte inszeniert. Für die traditionsreichen Bauer Studios in Ludwigsburg bei Stuttgart sind Studiokonzerte schon lange Standard – allerdings mit Publikum. Während der Corona-Jahre hat man auch dort das Streaming von Auftritten getestet. Trotz guter Erfahrungen gesteht Bettina Bertók-Thumm, Geschäftsführerin und Tonmeisterin des renommierten Unternehmens, dass das für ihre Zwecke keine echte Alternative ist.

Schlicht „Studio Konzert“ ist die hauseigene Vinyl-Reihe betitelt. Das erste Konzert des Projekts ging am 17. Februar 2013 im Studio 1 des Bauer-Traktes über die Bühne. Die französische Gruppe Journal Intime mit Gitarrist Marc Ducret und Akkordeon-Aufsteiger Vincent Peirani hatte zuvor bereits ein „normal“ produziertes Studioalbum für das Bauer-Label Neuklang aufgenommen. Die damalige Chefin Eva Bauer-Oppelland und Label-Manager Rico Scholz waren auf die Idee gekommen, Konzerte speziell dafür anzusetzen, dass man sie analog für eine LP-Veröffentlichung mitschneidet.

Bertók-Thumm: „Das Besondere ist diese komplett analoge Schiene: vom Mikrofon übers Pult und die Aufnahme bis zum Folienschnitt ohne jede Analog-Digital-Wandlung.“ Eingefleischte Klang-Nerds schnalzen da mit der Zunge. Tatsächlich kann Neuklang in der Hinsicht auf eine „feste Fanbase“ setzen. „Es gibt viele, die unbesehen jede Veröffentlichung kaufen, weil sie analog ist. Das sind treue Kunden.“ Eine Rolle spielt auch die Exklusivität: Die Auflage ist grundsätzlich auf 1.000 Exemplare limitiert, da will man konsequent bleiben, auch wenn die Versuchung rein ökonomisch gesehen groß ist. „Wir möchten den Käufern gegenüber ehrlich sein und das Image der Reihe nicht mit einer neuerlichen Auflage schwächen.“

Das fällt bei manchen Namen sicher nicht ganz leicht. Unter den 50 bisherigen Produktionen gibt es zum Beispiel Aufnahmen mit Maria João, Richie Beirach, Barbara Dennerlein, Jeff Ballard, Alexandra Lehmler, Lynn Ariale, Shalosh und Marialy Pacheco. Jazz ist der eindeutige Schwerpunkt des Programms, „weil wir da das Renommee und sehr viele Kontakte haben“. Das geht Hand in Hand mit der bewährten Arbeit des 2004 ins Leben gerufenen Labels Neuklang. „Wir haben kaum mal aktiv nach Bands suchen müssen. Es gab von jeher sehr viele Anfragen, speziell von Jazzformationen.“

© Ren Van der Voorden

In der Reihe finden sich auch einige Konzertmitschnitte aus Klassik, Pop, Neo-Klezmer, Singer/Songwriter und mehr. „Wir wollten das von Beginn an offen lassen.“ Bettina Bertók-Thumm ist allerdings überzeugt: „Jazz eignet sich am allerbesten für das Konzept.“ Praktisch bedeutet das eine Aufnahme im Studio-Ambiente unter Studio-Bedingungen „ganz ohne Netz und doppelten Boden“, in die die Dynamik der Publikumsreaktion hineinspielt, das Live-Risiko inbegriffen. Immerhin besteht für die Akteure die Möglichkeit, ein Stück im zweiten Set des Abends oder als Zugabe zu wiederholen. Ein Teil des Publikums – verkauft werden jeweils 80 Tickets – kennt diese Besonderheit des Produktionsprozesses inzwischen.

Karten für die Konzerte bekommt man heute etwas leichter als in früheren Jahren. Auch das Bauer-Team verzeichnet nach der Corona-Zeit eine neue Zurückhaltung. Das gilt ebenso für die Vermarktung des Produkts. „Bis vor drei, vier Jahren hat sich das immer gerechnet. Da konnten wir sicher sein, dass ein Großteil der limitierten Auflage Käufer findet. Das galt auch für experimentellere, nicht ganz so leicht zugängliche Bands. Jetzt funktioniert das nicht mehr so ohne Weiteres.“ Zum erheblichen Problem geworden sind die gestiegenen Herstellungskosten. „Und wir merken auch, dass der Vinyl-Boom seinen Zenit erreicht hat.“

Derzeit befindet sich Neuklang in einer „Phase des Umdenkens“, was die gehegte und gepflegte Reihe angeht. Der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und künstlerischen Idealen wird schwieriger. Bettina Bertók-Thumm steht für beides ein: „Uns lag es immer am Herzen und ich fand es immer ganz toll, dass wir auch sehr experimentelles und ‚unwegsames‘ Material aufnehmen und dem Publikum zeigen. Gerade im Konzert werden damit viele Barrieren abgebaut.“ Künftig will sie zum Beispiel stärker auf Gruppen setzen, die auch über das Studio-Konzert hinaus Konzerte geben und darüber helfen, Alben zu verkaufen.

Aktuell freut man sich erst mal über die 50. Veröffentlichung, ein Album mit der Gruppe der Sängerin, Pianistin und Chanson-Autorin Magdalena Ganter aus Berlin, geboren im Schwarzwald. Und gerade erschienen: Home von der französischen Gruppe Papanosh, eine Zusammenarbeit mit US-Saxofonist Roy Nathanson und Vokalartist Napoleon Maddox als Gästen. „Die erste der nächsten 50 Produktionen!“, lacht Bettina Bertók-Thumm ansteckend optimistisch.

Website:

www.bauerstudios.de/neuklang