Airelle Besson / Sebastian Sternal / Jonas Burgwinkel

Spätes Debüt

Wenn ein Trio, dessen erste Schritte weit in der Vergangenheit liegen, doch noch sein spätes Debüt veröffentlicht, kann man mit gutem Recht von einer Überraschung reden. Man kann das Debüt auch gleich so nennen, wie es Airelle Besson, Sebastian Sternal und Jonas Burgwinkel getan haben: Suprise!

Von Stefan Hentz

Lange her, zehn Jahre ziemlich genau, Januar 2015. Es war beim Internationalen Jazzfestival in Münster, dass mich ein Trio mit dem Reichtum seines Sounds überwältigte, mit der Finesse seines Zusammenspiels, mit der entschlossenen Melancholie der melodischen Welten, die es von der kleinen Nebenbühne aus aufsteigen ließ. Zu spüren war die große Freiheit eines Neubeginns, die mitreißende Kraft eines Grooves, der nicht der Konkretion bedurfte, die Spannung auf das, was hier folgen sollte. Ein Trio: Airelle Besson, Sebastian Sternal, Jonas Burgwinkel. Eine Französin, zwei Deutsche; Trompete, Klavier, Schlagzeug; ein gemeinsamer Geist, Atem, Herzschlag.

Nun ist Surprise! erschienen, das erste gemeinsame Album des Trios. Es hat ein bisschen gedauert, aber die vergangenen Jahre waren eben kompliziert. Erst war das Trio ganz neu gewesen. Münster war ihr erster gemeinsamer Auftritt. Im Zug auf der Anreise waren sie noch die Stücke durchgegangen, hatten stumm die Akzente verknüpft und die Rhythmen ausgecheckt. Dann spielten sie das Programm hier und dort, neue Stücke kamen dazu, es gab Experimente mit einer Gebärden-Dolmetscherin. Schließlich, es war im Frühjahr 2020, die Pandemie war gerade ausgebrochen, machte der Deutschlandfunk Sebastian Sternal das Angebot, zwei Projekte seiner Wahl aufzunehmen. Die drei kamen zusammen, probten ein bisschen, spielten, nahmen auf.

Ganz neu war mir nicht alles an diesem Trio gewesen. Der Schlagzeuger Jonas Burgwinkel und der Pianist Sebastian Sternal zählten auf parallelen Pfaden schon damals zur Oberklasse des deutschen Jazz, hatten in Köln studiert und gehörten zur musikalischen Hinterlassenschaft des legendären britischen Pianisten und Hochschullehrers John Taylor. Beide waren dekoriert mit zahlreichen Preisen und Stipendien, abgesichert durch solide Lehrstühle an den Musikhochschulen in Köln (Burgwinkel) und Mainz (Sternal) und auf ihre je eigene Art sehr umtriebig in der westdeutschen Szene. Neu war mir nur Airelle Besson, die Trompeterin aus Paris, eine Musikerin, die ohne aufzutrumpfen ihre melodischen Linien einfach singen lässt. So frei und offenporig war das Zusammenspiel, so fern von all den gängigen Spielformaten zwischen Jazz (akustisch) und Fusion (elektrisch), Swing (gemeint ist die rhythmische Qualität, nicht das Tsching-a-Tsching-a-Ling des Stilzitats) und Free, so sensibel, klangmalerisch und spielerisch – und so ist es nun bei Surprise! wieder.

In der Zwischenzeit war Airelle Besson Mutter geworden, was ihre Zeit deutlich einschränkt, und sie war dazu übergegangen, die Nachproduktion ihrer Projekte selbst zu übernehmen – eine Heidenarbeit, die aber den Vorteil der Selbstbestimmtheit mit sich bringt. Gerade hatte sie die Produktion von Try!, dem zweiten Album ihres Quartetts abgeschlossen, und zum Zeitpunkt der Aufnahmen für das Trio hatte sie den Kopf nicht frei und war nicht zufrieden damit, was und wie sie darauf gespielt hatte. „Zwei Jahre später habe ich mir die Aufnahmen noch mal angehört“, erzählt sie, „und ich war sehr positiv überrascht. Oh, da sind ja tatsächlich Sachen dabei, die es wert sind, als Platte veröffentlicht zu werden.“ Der Trompeterin, die die Aufnahmen in ihrem Studio für die Veröffentlichung aufbereitet hat, ist es wichtig, den gemeinschaftlichen Charakter des Trios und die nach wie vor bestehende Fluidität der Musik zu unterstreichen. „Das Trio ist für mich sehr stark ein Kollektiv. Ich sehe es nicht als mein Trio. Ja, ich habe das produziert, aber das liegt daran, dass ich die Mittel dafür habe.“

Dass die Musik tiefe Wurzeln hat, dass sie länger gelagert hat und gut nachgereift ist, dass ihre eigenen und die Kompositionen von Sebastian Sternal im Zusammenspiel jedes Mal wieder eine neue Form finden, erhöht für sie noch einmal den Reiz. „Für mich ist das nicht alt, sondern jedes Mal wieder neu und anders. Auch wenn wir dieselben Stücke spielen, spielen wir sie jedes Mal anders. Schon weil es ein anderer Moment ist, weil der Kontext ein anderer ist oder die Musiker in einer anderen Stimmung sind. Ich finde das toll, dass ich mir sagen kann, dass die Stücke schon ein bisschen älter sind, dass wir sie aber immer wieder zu etwas Neuem machen. Die Musik bekommt dadurch eine Zeitlichkeit, die anders ist, als in der Kleenex-Generation heute, wo man etwas macht, und dann ist es vorbei, und sehr schnell kommt das nächste. Da würde mir etwas von der Zeitlichkeit fehlen, von der Konstruktion, von den Personen, die daran beteiligt sind.“

Doch mit Surprise! ist eine neue Zeit gekommen für das Trio. Schon jetzt ist deutlich zu spüren, dass die Veröffentlichung des Albums die Nachfrage nach dem Trio erhöht. Schon im vergangenen Sommer und Herbst gab es einige Auftritte auf Festivals und in Clubs in Frankreich, und spätestens nach dem geplanten Auftritt bei der jazzahead! in Bremen sind für das kommende Frühjahr und den Sommer weitere Auftritte auch in Deutschland zu erwarten.

Aktuelles Album:

Airelle Besson, Sebastian Sternal, Jonas Burgwinkel: Surprise! (Papillon Jaune / Broken Silence)