Deutsches Jazzfestival
Frankfurt
Von Robert Fischer. Frankfurt im Herbst ist immer eine Reise wert. Zum einen, weil die Fahrt dorthin, von Süden her kommend, durch den Spessart führt, dessen Bäume jetzt im Oktober in bunter Pracht stehen. Und zum anderen, weil das mit der bunten Pracht auch für die Musik gilt, die beim Deutschen Jazzfestival geboten wird.
Bemerkenswert: Anders als in früheren Jahren hat man sich dazu entschlossen, junge Talente nicht mehr nur in Newcomer-Matineen auf kleineren Bühnen spielen zu lassen, sondern sie mit auf die Hauptbühne im hr-Sendesaal zu holen. Wobei diese „jungen Talente“ – Jakob Bänsch und Lisa Wulff etwa – zwar noch sehr jung, aber auch schon ganz eigenständige Künstlerpersönlichkeiten sind. Was ebenso für Emma Rawicz gilt, die am ersten Abend der Top-Act war und selbst erst 22 Jahre alt ist. Zu hören war die Saxofon-Senkrechtstarterin im Quartett mit Ivo Neame (p), Jim Hart (vib), Kevin Glasgow (b) und Asaf Sirkis (dr).
Den Auftakt des Festivals machte ein eigens dafür organisiertes Projekt, für das der Pianist Omer Klein Gedichte von James Joyce, W.B. Yeats, Maya Angelou, Anne Carson und anderen vertonte, die von Mike Holober für die hr-Bigband arrangiert wurden. Als Sängerin des mit Ever So Lightly – einer Zeile aus Walt Whitmans Gedicht I Sing the Body Electric – überschriebenen Projekts stand Becca Stevens auf der Bühne, deren unverwechselbare Stimme dem Ganzen individuellen Glanz verlieh.
Der Auftakt des zweiten Abends gehörte dem hr-Jazzensemble feat. Bob Degen mit der Posaunistin Shannon Barnett als Special Guest – ein enorm berührender Auftritt vor allem des inzwischen 80 Jahre alten Pianisten. Mit den beiden auf der Bühne: Christof Lauer (sax), Bastian Weinig (b), John Schröder (dr) und Sebastian Sternal (p, fender rhodes).
Immer eine sichere Bank für jeden Veranstalter sind Camille Bertault und David Helbock, die anschließend mit Stimme und Klavier ein ebenso unterhaltsames wie hochvirtuoses Duoprogramm boten, in dem der Grat zwischen Kunst und Klamauk allerdings stellenweise etwas schmal zu sein schien.
Definitiv (Gitarren-)Kunst vom Feinsten bot zum Abschluss des zweiten Abends im hr-Sendesaal Kurt Rosenwinkel, der mit The Next Step an die Musik erinnerte, die er 1996 mit Mark Turner (sax), Ben Street (b) und Jeff Ballard (dr) im New Yorker Smalls Club entwickelte, ehe sie später als Album veröffentlicht wurde. Bis auf Mark Turner, dessen Platz Ben Wendel einnahm, waren alle Musiker von damals wieder vereint.
In der darauf folgenden Clubnacht standen u.a. Sebastian Gramss’ Meteors in der Romanfabrik auf dem Programm, ehe am dritten und letzten Abend im Sendesaal die hr-Bigband feat. Jason Moran die Musik von Duke Ellington zelebrierte, gefolgt von der bereits erwähnten Lisa Wulff mit ihrem Trio feat. Philipp Schiepek und als Hauptact Bill Frisells aktuell wohl interessantestem Projekt Four. Einen gelungenen Abschluss fand diese 55. Ausgabe des Deutschen Jazzfestivals am Tag darauf noch mit einem der britischen Szene gewidmeten Konzert im Mousonturm.