Ems Jazz Festival

Greven

Von Stefan Pieper. Well done, kann man hier nur sagen! Das Ems Jazz Festival hat sich in nur drei Jahren als Jazzereignis von erheblicher Ausstrahlung etabliert. Es hat sich gelohnt, von Anfang an groß, also im internationalen Format, zu denken. Die aktuelle Ausgabe bestätigte eindrucksvoll den Mehrwert, wenn zusammen mit tatkräftigen Sponsoren und Förderinstitutionen in die Kultur investiert wird.

Leider war mir nur am dritten Festivaltag ein Besuch möglich, aber dieser erzeugte schon direkt beim Betreten der Location einen faszinierenden Kontrast zwischen der Betulichkeit einer sonntagnachmittäglichen Kleinstadt und einer fast transzendentalen Atmosphäre. Die Band Mother unter Leitung von Athina Kontou bewegt sich gekonnt zwischen der kulturellen Verankerung der griechischen Bandleaderin und avantgardistischer Improvisationskunst auf High-End-Niveau – was in dieser Kombination spirituelle Tiefe offenbarte. Athina Kontou lenkt die Geschicke mit ihrem präsenten Bass, damit die Klangwelt ihrer Band alle möglichen Elemente von südosteuropäischen, aber auch nahöstlichen Kulturen wie in einem Brennglas bündelt. Tradierte Lieder des Rembetiko künden von gebrochenen Herzen und seelischen Abgründen. Armenische Volksliedbearbeitungen und revolutionäre Lieder von Mikis Theodorakis bezeugen den Reichtum kultureller Bezugsfelder in Kontous Heimat. Luise Volkmann bildete auf ihrem Sopransaxofon die Klangfarben dieser Musikstile faszinierend authentisch ab. Noch reicher wurde die musikalische Reflexion über Fremdsein und Ankommen durch den Pianisten Lukas Leidinger und den Schlagzeuger Dominic Mahning, einen hochsensiblen Rhythmiker, der manchmal auch mit bloßen Händen sein ganzes Drumset in Schwingung versetzte.

Einst beherbergte die große Halle das Ballenlager einer Textilfabrik – der beeindruckende Bau geht aus dem Strukturwandel hervor, wie er für das Münsterland typisch ist. Großes Lob gilt der Kulturinitiative Greven, die nicht zuletzt mit diesem Festival dieses architektonische Renommierobjekt nicht allein der kommerziellen Verwertung überlässt. Wie aufnahmefähig das Publikum hier ist, bewies im Weiteren ein empfindsames, über eineinhalb Stunden dauerndes Solo-Klavierrezital des israelischen Pianisten Nitai Hershkovits, der auch in Avishai Cohens Band spielt. Hershkovits verzichtete auf plakative Showgesten und entführte dafür umso mehr in die großen Erzählungen des Jazz. Spurenelemente aus der Klassik ließ er feinfühlig einfließen und bot so manche Hommage an epische Geschichtenerzähler wie die Filmkomponisten Nino Rota und Ennio Morricone. Hershkovits verarbeitete dieses ganze ikonische Material so, dass es dazu einlud, noch sensibler in die Tiefenschichten von Musik einzutauchen. Die zahlreichen internationalen Bands und auch Exklusivauftritte beim diesjährigen Ems Jazz zogen zum Finale in die vibrierende selbstbewusste Londoner Jazzszene hinein – mit einem energetischen Feuerwerk der Dream-Band des britischen Saxofonisten Alex Hitchcock. Auch dafür lohnte es sich, das heimische Sofa zu verlassen und in Livemusik einzutauchen, von der man hoffentlich auch weiterhin viel aus Greven vernehmen wird.