© Frank Schindelbeck

Enjoy Jazz

Mannheim / Heidelberg / Ludwigshafen

Von Jan Kobrzinowski. Mit der Unterstützung von Kreativität als Bildungsauftrag, der Verpflichtung zu Verantwortung, Umweltbewusstsein und Diversität und nicht zuletzt Heilung standen gewichtige Themen über dem Festival in der Metropolregion Mannheim-Heidelberg-Ludwigshafen, das einen Monat dauerte. Festivalchef Rainer Kern hatte sich viel vorgenommen, und es begann gleich mit einem Highlight: einem im Jazz selten zu erlebenden Piano-Duo. Statt dem Zusammenprallen verschiedener pianistischer Ansätze erlebte das Publikum eine Verbrüderung zweier Gleichgesinnter, mit Ausloten, Abtasten und Einander-Zuhören: Vijay Iyer, der feingeistig-intellektuelle, durch Virtuosität bestechende Instrumentalist, und Nduduzo Makhathini, nicht minder virtuos, aber eher mit ganzheitlicher Spielweise agierend. Das Experiment führte zu einem starken, berührenden Ereignis.

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Im Mittelpunkt der ersten Tage des Festivals stand als Artist in Residence der südafrikanische Pianist, Sangoma (Heiler) und Gelehrte Makhathini, der seine Musik gern mit Gesang und Wort ergänzt. Nach seinem intensiv-schönen Triokonzert in der Mannheimer Alten Feuerwache erschien er am folgenden Vormittag zum Well-Being-Konzert, für das Enjoy Jazz den Heidelberger Karlstorbahnhof „umrüsten“ ließ. Das Publikum gruppierte sich im Sitzen, Liegen, Stehen oder in Bewegung rund um den Pianisten und die eigens aus New York angereiste Dr. Nisha Sajnani. Der Dramatherapeutin, Gründerin von Arts & Health an der New York University und Vorsitzenden des NYU Creative Arts Therapies Consortium gelang es mit dem improvisierenden Makhathini, mit erklärenden und in die Meditation einführenden Worten bei den Teilnehmenden eine heilsame Form von Trance zu erzeugen, und sie gleichzeitig in wacher Aufmerksamkeit zu halten.

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Die Performance des Kanadiers Jowee Omicil war im Gegensatz dazu sehr extrovertiert. Dem Multiinstrumentalisten gelang die Gratwanderung, gleichzeitig die Geister der Jazzgeschichte von Cherry, Coltrane, Miles, Sun Ra und Monk zu beschwören und eine fruchtbare Verbindung zwischen clownesker Selbstdarstellung und tiefem Spiritual Jazz herzustellen. Die Kraft orientalischer Skalen und Rhythmen in Verbindung mit improvisierter Musik nutzte die in Frankreich lebende syrische Flötistin Naïssam Jalal. Neben ihrer mit Healing Rituals betitelten Musik sorgte sie mit dem kämpferischen Slogan „Free Palestine!“ von der Bühne herunter für einen Moment irritierten Schweigens im Publikum.

Im weiteren Verlauf bot Enjoy Jazz auch herausfordernde Gigs mit Improvisator*innen wie Marta Sánchez mit dem David Murray Quartet, Kris Davis – Diatom Ribbons, dem Vijay Iyer Trio und dem polnischen Klarinettisten Wacław Zimpel. Neben aktuell angesagten Künstler*innen großer Bandbreite wie Arooj Aftab, Emma Rawicz, Youn Sun Nah, Cécile McLorin Salvant, Meshell Ndegeocello, Avishai Cohen (tp) u.a. leistete man sich auch Stars wie Brad Mehldau im Ludwigshafener Pfalzbau sowie Pat Metheny, der im Zuge seiner Solo-Tour eine der schönsten Enjoy-Spielstätten, das BASF-Feierabendhaus, bespielte.

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Jeden Freitagabend gab es die Gelegenheit, dem aktuellen Verstreamungs- und Verplaylistungstrend mit Genuss entgegenzuwirken: Bei der Enjoy Jazz Listening Bar stellten Musikjournalist*innen ausgesuchte Alben auf hochwertigen Audiogeräten vor. Alfa Mist, Bill Laurance und Ghost-Note bis hin zu Helge Schneider u.a. standen für eher leichtere Kost, ohne die heute kein größeres Festival auskommt, insbesondere wenn es „…und Anderes“ im Namen trägt. Mit dem Christian Broecking Award for Arts Education wurde die Flötistin Nicole Mitchell geehrt, im Rahmen ihres Konzerts mit dem Artifacts Trio mit Tomeka Reid und Mike Reed.