Holly Cole

Mondsüchtige Reise

Die kanadische Sängerin Holly Cole wendet sich für ihr 13. Album ähnlich konsequent wie kürzlich Kollegin Rickie Lee Jones ausgewählten Perlen des American Songbooks zu. Dazu baut sie auf Spontaneität und mit dem Dark Moon Ensemble auf eine kongeniale Begleitband.

Von Jan Kobrzinowski

Ein wesentlicher Teil des Sounds liegt in den Arrangements. Wir haben im Vorfeld nur sehr wenig geprobt, die Songs waren unglaublich frisch für uns. Die Musiker tragen viel zum Arrangement bei – und ich wollte den Klang hören, bei dem für jeden von uns das Licht angeht und vieles sich beim Spielen zusammenfügt.“ Holly Coles Konzept wird von allen Beteiligten mit Bravour umgesetzt. Ihre Langzeitpartner Aaron Davis (p), George Koller (b) und Davide Direnzo (dr) sind mit allen Wassern gewaschene Studiocracks, denen die Sängerin auch für Dark Moon blind vertrauen kann.

Holly Cole startet ihre Reise durch die 1940er bis 60er Jahre mit verschachteltem Groove und gestrichenem Kontrabass – mit Irving Berlins „Steppin‘ out with My Baby“. Schon der Opener illustriert Coles Vorliebe für ausgesuchtes und clever ausgearbeitetes Liedgut. Mit sorgfältigen Effekten in akustisches Americana-Ambiente eingebaut ist ihre Version des Bacharach-Songs „Message to Michael“. Das Original von „The Exciting Life“ sang Julie London 1958; Coles Konzept: Sparsamkeit, nur Bass und Piano, dazu ein funkelndes Saxofonsolo (John Johnson). Das Titelstück aus der Feder von Ned Miller ist eine richtig schöne Country-Nummer, stilecht ausgestaltet von Coles Landsmann Kevin Breit (g) und den Nashville-Harmonies des kanadischen Gesangstrios The Good Lovelies. „No Moon at All“ steht für die Kategorie Klassiker auf Dark Moon, zur waschechten Jazznummer geadelt durch den genialen Beitrag von Howard Levy auf der Mundharmonika. Vollends mondsüchtig erweist sich Holly Cole dann mit „Moon River“ mit dezent angerauter Stimme. Wieder beschränkt sich die Begleitung auf das schlagzeuglose Klavier-Bass-Team. In einer Art Space-Western-Swing-Stil zelebriert die Sängerin den Elvis-Klassiker „Kiss Me Quick“. Jefferson Airplanes „Comin‘ Back to Me“ ist eine Reminiszenz an die Pop-Romantik der 60er, Cole und ihre Band steigern es meisterhaft zur Charakterballade.

Auch für den Schluss des Albums hat sie ein kleines Wunderwerk der Popgeschichte, das selten gecoverte „Walk Away Renée“, ausgegraben, 1966 geschrieben von Michael Brown für die Band The Left Banke. Schlicht und ergreifend toppen Cole und Band das Original hinsichtlich Intimität und Ausdruckskraft, unter Verzicht auf barocke Schnörkel – ein Highlight der Platte. Richtig twangen darf Kevin Breits Gitarre dann am Ende noch einmal mit Peggy Lees „Johnny Guitar“, Titelsong des gleichnamigen Films von 1954.

Aktuelles Album:

Holly Cole: Dark Moon (Rumpus Room / Universal Music Canada)