jazzahead!
Bremen
Von York Schaefer.

© M3B GmbH / Jens Schlenker
Während sich die Eröffnungsveranstaltungen der jazzahead! in den vergangenen Jahren öfter mal etwas in die Länge zogen, hat man den Wortanteil jetzt angenehm gestrafft – und auch die Musik ist nicht mehr nur schmückendes Beiwerk. „Grand Opening“ nennt sich das neue Eröffnungskonzept nun vollmundig, aber ein bisschen Glamour muss vielleicht sein bei einem der weltweit immer noch wichtigsten Branchentreffs.
Unter dem Motto Reconnect rückte man in diesem Jahr mit Frankreich, Spanien und der Schweiz drei Länder in den Fokus, die bereits Partnerländer der jazzahead! waren und sich beim einzigen Konzert zur Eröffnung wiederfanden: im sechsköpfigen Large Ensemble des Schweizer Gitarristen Louis Matute mit Gastmusikern. Matute vermischt seine Wurzeln in brasilianischer und lateinamerikanischer Musik mit prägnanten Bläsermelodien und locker treibendem Beat. Unter den Gästen stach die französische Sängerin Célia Kameni mit eindringlicher Bluesstimme und starker Bühnenpräsenz heraus. Eine gelungene Eröffnung also, und auch die angesichts der Fülle an Konzerten wie immer streng persönlich ausgewählten Eindrücke der folgenden Tage waren vorwiegend stark.

© M3B GmbH / Jens Schlenker
Internationalität, Vielfalt und Mut zur Innovation im Programm zeigen sich schon, wenn man etwa vom senegalesischen Kora-Spieler Momi Maiga direkt zum ungarischen Klassik-Elektro-Trio Schubert Now! wechselt. Maiga überführt die archaische westafrikanische Kora in Verbindung mit Streichern und Drums in eine hochmoderne, mal zackige, mal schwelgerische Musik zwischen Jazz und Folk-Traditionen. Bei Schubert Now! werden die zarten Lieder des Früh-Romantikers mit wabernden und pumpenden Synthiesounds und experimenteller Harfe ins Hier und Jetzt überführt. Nicht immer zwingend, aber ein allemal spannender Ansatz.
Um nicht abgeschlossene gesellschaftliche Überführungen geht es im Programm Born Coloured, Not Born Free des charismatischen Bassisten und Bandleaders Benjamin Jephta aus Südafrika. In den perkussiven, an Jazz, Funk und HipHop orientierten Songs seines Sextetts thematisiert er die seit dem Ende der Apartheid immer noch bestehende ökonomische Spaltung seines Landes entlang der Hautfarben. Jephta war Teil der dieses Jahr zwar qualitativ ausgewogener, allerdings immer noch nicht wirklich zwingend besetzten Afrika-Reihe. Dazu gehörte auch die kenianische Multiinstrumentalistin und Sängerin Kasiva Mutua, die sich mit ihrem ansteckend lebendigen Afropop am neuen, sehr schönen Spielort am Torfhafen unweit des Messegeländes als geborene Entertainerin erwies.
Eine Entdeckung war der Istanbuler Saxofonist Korhan Futaci, der eines der 38 Showcase-Konzerte spielte und bei der Clubnight dabei war. Futaci, Jahrgang 1977, hat schon mit Peter Brötzmann, Evan Parker und Marshall Allen gearbeitet, und entsprechend frei und energetisch klingt die Musik seines Quartetts. Spiritueller Jazz mit einer Rhythmusfraktion im schleppenden Groove, rituell-gebetsartigem Gesang und anatolischer, aber auch mal äthiopischer harmonischer Färbung. Kompositorisch etwas eindimensional, aber einnehmend wuchtig war der Sound des Berliner Jazz-Powertrios Bobby Rausch im rappelvollen Römer, einem eher kleinen, aber legendären Club des Bremer Nachtlebens. Beeindruckend, was für einen Druck Bassklarinette und Baritonsaxofon aufbauen können.
Mit Schweden hat man für das kommende Jahr ein Partnerland mit einer international anerkannten Jazzszene ausgewählt. Aber selbst dort bedrohen staatliche Kürzungen die musikalische Vielfalt – wie in Deutschland, wo der finanzielle Kahlschlag in der Kultur grade erst begonnen hat.

© M3B GmbH / Patrick Schulze