The Cat’s Table

© Christoph Bombart
Musik aus der Schatzkiste
Mit seiner Band The Cat’s Table legt Saxofonist Tom Reinbrecht seine erste Platte vor, die ganz durch ihn geprägt ist. Supernatural Soul Charade zeugt dabei von seinen zahlreichen Einflüssen und zeigt, dass seine Band und er keinesfalls an den Katzentisch gehören.
Von Verena Düren
Angefangen hat alles mit der guten bayerischen Blasmusik: „Du musst dir vorstellen, man liegt als Zehnjähriger krank im Bett und wird vom Leiter der örtlichen Blaskapelle besucht, der quasi ‚verkündet‘, dass man demnächst in der Kapelle Klarinette spielt“, erinnert sich Tom Reinbrecht. So fing alles an, denn immerhin war es ja die dem Saxofon verwandte Klarinette, die Reinbrecht spielen durfte – wenngleich auch mit ganz anderem Repertoire. „Vom Jazz war ich zu der Zeit tatsächlich auch nicht nur durch die Blaskapelle total weit entfernt“, erinnert er sich. „Auch sonst habe ich eher Rock und Pop gehört und war dann irgendwann auch als Sänger in einer Rockband.“
Eine wahre musikalische Schatzkiste, die ihn entscheidend prägend sollte, war die Plattensammlung der großen Schwester seines besten Freundes: „Sie hatte damals schon eine eigene Wohnung und vor allem diese riesige Plattensammlung. Wann immer sie nicht da war, haben wir uns dort reingeschlichen und Musik gehört. Das war unsere kleine Rebellion gegen das dörfliche Establishment. Für uns war das unfassbar spannend. Das war ganz anders als alles, was um uns herum war. Andere Sounds, die für ein anderes Leben standen, coole Typen eben“, erinnert er sich lachend. Was der Schwester seines Freundes damals gar nicht so passte, sollte Jahrzehnte später in Teilen für Reinbrechts Werdegang verantwortlich sein.
„Für mich war recht schnell klar, dass ich Musiker werden wollte. Aber das war damals noch undenkbar, und so habe ich dann erst mal eine Banklehre gemacht. Schließlich habe ich aber meinen Bausparvertrag auf den Kopf gehauen, um mein erstes Saxofon zu kaufen.“ Das Interesse am Jazz entstand durch Bands wie The Police, Queen und Sting, bei denen teils auch Jazzmusiker mit im Boot waren. So machte Reinbrecht schließlich die Aufnahmeprüfung an der Hochschule und studierte dort Jazz. Seitdem war er vor allem als Sideman gefragt, schrieb zahlreiche Arrangements und lehrte.
Mit der Corona-Pandemie kam der Gedanke auf, einfach zu schreiben, was aus ihm herauskam – unabhängig von Genre- und Stilgrenzen. „So kamen meine Wurzeln und die ganze Musik aus den Teenagerjahren wieder hoch, also quasi die ganze Musik-Schatzkiste der Schwester meines Freundes.“ Nachdem Reinbrecht seine erste Platte mit Claudio Roditi aufgenommen und danach Ausflüge in den Bebop und brasilianischen Pop-Jazz unternommen hatte, kam zunehmend der Wunsch nach der ganz eigenen Musik auf.
Neben den verschiedenen Musikeinflüssen aus den 80er Jahren sind Reinbrechts Kompositionen auch von Filmen beeinflusst, weshalb er seine Musik auch als Cinematographic Jazz bezeichnet. Ein wunderbares Beispiel hierfür ist der Track „Goldonnery’s House“, der vom Film Das Russlandhaus geprägt ist. „Ich werde nie vergessen, wie Sean Connery in diesem Film auf einmal zum Saxofon greift und wie ein Gott spielt“, so Reinbrecht lachend. „Später habe ich dann erfahren, dass in Wirklichkeit Branford Marsalis gespielt hat. Aber das Bild vom spielenden Connery hat mich nicht losgelassen.“ Die besondere Atmosphäre des Soundtracks findet sich nun auch hier wieder. „Charade“ bezieht sich auf ein Supertramp-Album und ist Ausdruck der Corona-Krise. Auch „Bitter Sweets“, das mit als erstes Stück im April 2020 für die Platte entstand, bezieht sich auf die für Kulturschaffende besonders herausfordernde Zeit.
Mit The Cat’s Table und Supernatural Soul Charade vollzog der Bandleader den Wandel von der Coverband zur Originalband. „Die Band gab es im harten Kern schon vorher, auch vor dem Namen. Wir haben in München viele funkige und brasilianische Sachen zusammen gemacht, doch dann war eben der Wunsch da, eigene Musik zu spielen, und in der Corona-Zeit, die quasi wie ein Kreativ-Sabbatical war, hatte ich die Zeit, Eigenes zu schreiben.“
Zur Band gehören bei diesem Projekt Patrick Scales (b) und Christian Lettner (dr), die beide zur Rhythmusgruppe von Klaus Doldingers Passport zählten. Lettner war beim Entstehen der Platte auch unverzichtbar durch sein Feedback während der Produktion. Jan Eschke ist einer der zurzeit gefragtesten Tastenmenschen, und als Special Guest ist auf der Platte Gitarrist Ferdinand Kirner dabei, der jedoch bei Konzerten nicht immer mit von der Partie ist. „Das hat auch damit zu tun, dass es noch mal schwerer ist, fünf Personen terminlich unter einen Hut zu bringen. Aber mit der Stammbesetzung von uns vieren ist man auch hinsichtlich der Improvisationen etwas flexibler“, so Reinbrecht. „Das ist überhaupt das Besondere bei dieser Platte – die Verbindung von Themen und Melodien aus Rock und Pop mit der Freiheit des Jazz.“

© Christoph Bombart
Doch was hat es mit dem Katzentisch auf sich? Reinbrecht lacht: „Eigentlich ist der Bandname der Titel eines Buches von Michael Ondaatje. Darin geht es um die Abenteuer von ein paar Jungs auf einem Kreuzfahrtschiff. Der ‚Cat’s Table‘ ist der Tisch, der am weitesten vom Kapitänstisch entfernt ist. Aber dort sitzen auch die interessantesten Charaktere.“ Zu Reinbrechts The Cat’s Table gesellt man sich auf jeden Fall gerne.
Aktuelles Album:
The Cat’s Table: Supernatural Soul Charade (GLM / Edel:Kultur)