Theaterhaus Jazztage
Stuttgart
Von Harry Schmidt. Ein Trio-Doppelkonzert markierte das Finale der 35. Theaterhaus Jazztage: Mit Auftritten der Trios von Dieter Ilg und Jasper van‘t Hof klang das Jazzfestival auf dem Stuttgarter Pragsattel beschwingt und recht gediegen aus. Insgesamt knapp 10.000 Besucher konnten die Organisatoren laut Theaterhaus-Vorstand Werner Schretzmeier an dreizehn Tagen begrüßen. Mehr Osterjazz war selten geboten in der baden-württembergischen Landeshauptstadt.

Wolfgang Haffner Trio feat. Thomas Quasthoff, Nils Landgren bei den Theaterhaus Jazztagen 2025
Mit Jan Garbarek, Götz Alsmann, Nils Wogram’s Root 70 und dem Tingvall Trio standen so einige internationale und bundesweit renommierte Jazzgrößen auf den Theaterhaus-Bühnen, echte Überraschungen blieben eher die Ausnahme von der Regel, dass hier vorwiegend Erlebnisse aus der Kategorie „Wiedersehen mit alten Bekannten“ anstanden. Runde Geburtstage etwa werden bei den Theaterhaus Jazztagen gern gefeiert: In diesem Jahr hatte Wolfgang Haffner sich aus Anlass seines 60. Geburtstags Thomas Quasthoff und Nils Landgren als Special Guests eingeladen.
Aufregender der mit Spannung erwartete Auftritt des Tigran Hamasyan Quintets: Dass die Formation aufgrund einer Erkrankung der Sängerin Areni Agbabian zum Quartett geschrumpft antrat, minderte den grandiosen Eindruck nicht im Geringsten. The Birds of a Thousand Voices ist ein interdisziplinäres Projekt, basierend auf einem armenischen Märchen, dessen mythologischer Quelle auch die russische Volkssage Der Feuervogel entsprungen sein dürfte, auf deren Grundlage Igor Strawinsky 1910 seine bahnbrechende Ballettmusik schuf. Hamasyans Musik dazu ist ein Kaleidoskop der Stile, verschränkt Zappa mit Bach, Techno mit kubistischem Bebop. Mutiger, angstloser und schlackenfreier geht’s im Gegenwartsjazz selten zu.

Andreas Schaerer & A Novel of Anomaly bei den Theaterhaus Jazztagen 2025
Der Schweizer Vokalist Andreas Schaerer stellte mit seinem paneuropäischen Quartett A Novel of Anomaly den Ende Februar erschienenen Longplayer Anthem for No Man‘s Land vor. Dass Schaerers Vokalvortrag ähnlich einer Glossolalie strukturell sprachliche Züge trägt, sich aber nicht eindeutig auf eine fixierte inhaltliche Bedeutung hin dekodieren lässt, entspricht der gelebten Utopie eines Individualisten-Kollektivs, in dem Luciano Biondini (acc) mediterran-poetische Akzente setzte, während Kalle Kalima (g) dem avantgardistischen Pol zuarbeitete und Lucas Niggli (dr) die teilweise ganz schön disparaten Fäden zu polyrhythmischen Netzen verknüpfte. Avantgarde mit einem Anliegen.
Ein höchst willkommenes Comeback feierte die US-amerikanische Singer-Songwriterin Vienna Teng, die wie Hamasyan den Flügel mit Synthesizern kombiniert. Die Schweizer Musikerin Sophie Hunger war schon immer facettenreich und formulierte eine eigensinnige Position zwischen allen Stühlen und Stilen, die Musikfarbpalette changierte von smartem Alternative-Rock über Folk- und Jazzklänge bis hin zum Chanson-Idiom und poetischem Indie-Electro-Pop. Jetzt hat die vielseitige Künstlerin sich nochmals neu erfunden: Mit Walzer für Niemand erschien Mitte März der Debütroman der 42-Jährigen, bei den Jazztagen markierte ihre Konzertlesung einen der Höhepunkte im diesjährigen Festivalprogramm.

Nils Wogram’s Root 70 bei den Theaterhaus Jazztagen 2025