© Jacek Brun

JazzBaltica

Timmendorfer Strand

Von Angela Ballhorn. Beim JazzBaltica-Festival in Timmendorfer Strand bildet sich eine neue Tradition heraus: 80-jährige Musiker auf die Bühne! Feierte 2022 Gilberto Gil mit seiner Familienband seinen 80. Geburtstag, war 2023 Günter „Baby“ Sommer als 80-Jähriger dabei. Wenige Wochen vor seinem Auftritt in diesem Jahr wurde der jamaikanische Pianist Monty Alexander 80 und bewies, dass Alter nur eine Zahl ist. Mit seinem Trio legte er einen fulminanten Auftritt hin, der Musikgeschichte von Charlie Chaplins „Smile“ bis hin zu Bob-Marley-Stücken abdeckte.

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Das Festival am Ostseestrand, das seit 13 Jahren von Nils Landgren kuratiert wird, gibt Großformationen eine Bühne. Nicht nur die NDR Bigband, die in diesem Jahr einen begeisternden Auftritt mit dem spanischen Bassisten Pablo Martín Caminero hinlegte, für dessen Musik Geir Lysne ein spektakuläres Bigband-Gewand genäht hatte, war auf der Hauptbühne zu finden. Fabia Mantwill wie auch Sarah Chaksad brachten ihre vielköpfigen Ensembles mit, aber auch das New Orange Swing Orchestra aus Tokio, das aus Maschinenbau- und Wirtschaftsstudenten besteht, konnte das Publikum begeistern.

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18.000 Besucher waren in diesem Jahr auf dem Festivalgelände, vor der Hauptbühne im Maritim Hotel, im Jazzcafe in der Trinkhalle, im Jazzclub des Hotels und am Strand zu finden. Die Namen auf der großen Bühne hatten Zugkraft: Wolfgang Haffners Band, das 30-jährige Jubiläum der Nils Landgren Funk Unit mit vielen Gästen, die Markus Stockhausen Group, Ulita Knaus oder die Jazzkantine wurden allesamt mit stehenden Ovationen gefeiert.

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Zwei Konzerte müssen herausgehoben werden: Das Duo des Pianisten Gwilym Simcock mit der Saxofonistin Emma Rawicz ließ einen den Atem anhalten, man wollte keine Note des spannenden Zwiegesprächs verpassen. Vor 30 Jahren wurde das Esbjörn Svensson Trio gegründet, 1997 trat die Band erstmals bei JazzBaltica auf. 2008 verunglückte der Pianist tödlich. Seine langjährigen Wegbegleiter Dan Berglund (b) und Magnus Öström (dr) hatten beim „Tribute to Esbjörn Svensson Trio“ viele Gäste auf der Bühne, die ihnen durch Svenssons bekannteste Kompositionen folgten. „Dodge the Dodo“, „When God Created the Coffeebreak“, „Seven Days of Falling“ oder „From Gagarin’s Point of View“ sind mittlerweile neue Standards im europäischen Jazz, und die Gäste (Ulf Wakenius, Mathias Eick, Nils Landgren, Magnus Lindgren und Joel Lyssarides) näherten sich den eingängigen Stücken behutsam.

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Die wahren Highlights verbargen sich 2024 auf den kleineren Bühnen: Die estnische Pianistin Rahel Talts spielte mit ihrem Quartett einen absolut fabelhaften Gig, Eric Schaefer ließ die Trinkhalle mit seiner Band Shredz erbeben. Warum die schwedische Sängerin Vivian Buczek im kleinen Jazzclub und nicht auf der großen Bühne mit Torsten Goods und Viktoria Tolstoy auftrat, blieb ein Rätsel. Die Berliner Fusionband Marriage Material begeisterte das Publikum im dicht gedrängten Jazzclub ebenso wie Matti Kleins Soul Trio, das die Leute zum Tanzen brachte. Petter Bergander mit Eva Kruse (b) und Ikiz (dr) waren ein würdiger Avslut, mit den Gästen Magnus Lindgren und Nils Landgren sangen und klatschten sich die Zuschauer durch viele Zugaben.