London Column
Das Niveau der Sänger*innen, die britische Musikhochschulen hervorbringen, ist generell enorm hoch. Und trotzdem hört man manchmal von Mitstudierenden und Lehrern, dass ein Sänger oder eine Sängerin ein besonderes Talent hat. Das ist sicher der Fall bei Aitziber Cofre Real, besser bekannt als Aitzi – oder @aitzilein auf Instagram –, die 2022 ihren Abschluss an der Guildhall School gemacht hat. „Eine dieser Sängerinnen, die dir die Sprache verschlagen“, sagt die Sängerin und Lehrerin Brigitte Beraha. Aitzi kommt aus Deutschland. Ich frage sie, woher genau. Sie lacht und buchstabiert mir sogar den Ort: Bad Cannstatt bei Stuttgart.
Ihre Eltern sind professionelle Musiker. Ihr Vater ist klassischer Cellist und stammt ursprünglich aus Chile, ihre Mutter ist Opernsängerin und Gesangslehrerin aus Spanien. Aitzi fühlt sich zum hispanischen Erbe ihrer Eltern hingezogen, wollte ihre musikalischen Wurzeln erkunden – vor allem in Südamerika. Als Studentin erinnert sie sich, dass die Freiheit der Vokalimprovisationen von Dani Gurgel besonders inspirierend war.
Aber ihre Fähigkeiten und Interessen gehen weit darüber hinaus. Aitzi ist in allen möglichen Projekten gefragt, sowohl in Großbritannien, wo sie seit 2018 lebt, als auch in Deutschland. Als wir Anfang Mai miteinander sprechen, steht sie kurz vor ihrem Auftritt mit Sofia Wills Large Ensemble VOLO beim Jazzfest Bonn. Eine weitere gute Freundin ist die dynamische britische Saxofonistin Emma Rawicz, mit der sie immer mehr Projekte macht und über die sie sagt: „Ich finde es toll, dass unsere gute Freundschaft sich auch musikalisch entfaltet.“
Aitzi hat auch die Tradition des Jazzgesangs in Großbritannien in sich aufgenommen, lebt sie aus und führt sie fort in der Tradition von Norma Winstone und Tina May, im Duo-Projekt Shades of Song mit dem Pianisten Scottie Thompson. Solche Bestrebungen sind eindeutig wichtig: „Meine musikalische Person hat zwei Seiten. Als Sidewoman fühle ich mich sehr erfüllt, die Musik anderer zu ergänzen – aber dann will ich auch meine eigene Stimme hören und entwickeln.“
Aitzi war Mitglied des Gutenberg Jazz Collective in Mainz, und ihr Name wurde schnell international bekannt. Die kanadische Pianistin und Bandleaderin Kris Davis, die ein sehr erfolgreiches Gutenberg-Projekt leitete, sagte mir: „Aitziber Cofre Real lebt in jeder Note, die sie singt. Ihre Musikalität und ihr kreativer Geist haben mich tief beeindruckt, als wir uns in Mainz trafen.“ Wir werden sicher noch viel von Aitzi hören.
Der Londoner Jazzjournalist Sebastian Scotney betreibt die Website ukjazznews.com