Time Tunnel

Das Ende und der Neubeginn

Am 16. April 1945 begann mit der sogenannten Schlacht um Berlin das letzte Kapitel des Zweiten Weltkriegs für Nazideutschland. Am 30. April wehte die russische Flagge auf der Kuppel des Reichstagsgebäudes – und Adolf Hitler beging Selbstmord. Zwei Tage später kapitulierte das Regime.

Nur wenige Tage darauf wurde der Sendebetrieb des Berliner Radios, das weitestgehend unbeschadet war, unter sowjetischer Führung aufgenommen und eine Bigband unter der Leitung von Michael Jary gegründet. In diesem Tanzorchester fanden sich viele Jazzmusiker, die den Neuanfang musikalisch gestalteten. Nach jahrelangem Zittern konnten sie wieder frei spielen.

Der Jazz, der bis dahin als entartete Kunst galt, stand ebenso wie seine Musiker und Organisatoren nicht im Verdacht der Nazitreue. So erhielt Carlo Bohländer bereits am 17. Mai eine Genehmigung für ein Jazzkonzert in Frankfurt. Eine kleine Sensation, da öffentliche Ansammlungen von Menschen nicht gewünscht waren. Das eingereichte Jazzprogramm mit seiner kulturellen Nähe zu den USA wog jedoch stärker als die Bedenken. Auch in der Folgezeit, in der alle kulturellen Veranstaltungen genehmigt werden mussten, waren Jazzkenner wenig im Verdacht, mit dem Naziregime gemeinsame Sache gemacht zu haben.

Durch die US-Soldaten kam der Jazz direkt nach Deutschland. Frankfurt am Main wurde mit seinem Hauptquartier der US-Streitkräfte zu einer Jazzmetropole. Die Clubs der Army gaben den hiesigen Musikern die Möglichkeit, Jazz zu spielen, und wurden zu regelrechten Ausbildungsstätten, in denen viele ihr Handwerk erlernten. Durch die Radiosender, die ursprünglich zur Unterhaltung der Soldaten gedacht waren, erreichte auch der dort gespielte Jazz ein breites Publikum. Für viele Jugendliche wie den 1930 geborenen Konzertveranstalter Fritz Rau war diese Musik prägend. So sagte er 1986 in einem Interview: „Der Jazz war Entnazifizierung an Leib und Seele.“

Thomas Bugert