Triennale, The Prequel

Monheim

© Rainer aus dem Kahmen

Von Jan Kobrzinowski. Interdisziplinär arbeiten inzwischen einige Festivals. Einzigartig an der Monheim Triennale ist, dass Räume geschaffen werden, in denen im improvisatorischen Kontext auch mal ein Lied entstehen darf. Dass andererseits von „traditioneller“ Musik Grenzen in völlig andere Richtungen überschritten werden. Gleichzeitig dürfen reiche grenzübergreifend experimentelle elektroakustische Sounds bis hin zum Noise entstehen. Aber auch im Kontext experimenteller Kunst dürfen und sollen Geschichten erzählt werden, zumal wenn als ein Drehpunkt wieder jemand wie Shahzad Ismaily dabei ist – ein Typ, der sowohl dem Festival guttut als auch einer Gruppe von Individualisten, dessen Inklusionsfähigkeit Rainer Michalke und sein Kuratorium dazu bewogen hat, ihn abermals ins Boot zu holen. Und hier kommt auch ein Filmschaffender wie Mika Kaurismäki ins Spiel, das alles weckt das Interesse des leidenschaftlichen Dokumentators, der bereit ist, Fiktion in Kauf zu nehmen [siehe Artikel in diesem Heft].

Michalke und der unermüdlich finanzierende Monheimer Bürgermeister Daniel Zimmermann haben ein Festival geschaffen, dessen Editionen ineinandergreifen. Das Personal wechselt mit Kontinuität im gesunden Maß. Es gibt kaum Regeln außer denen, die Rituale sind. Vieles an der Triennale ist ritualisiert, und das ist gut so, denn es erleichtert den Umgang miteinander, das Treffen von Verabredungen. Michalkes Credo fürs Festival ist übrigens auch ein persönliches: Er besitzt keine Plattensammlung, ihn interessieren nach all den Jahren im Umgang mit Musik im Fluss keine Konserven mehr, ja: Aufgenommene Musik steht im Gegensatz zum Konzept. Nicht nur, weil es nur auf den Moment, auf radikale Gegenwart ankäme, in der improvisiert wird – das auch, aber wichtiger ist, dass Musik nur live wirklich relevant ist, dort wo immer sie gerade entsteht, eben im Fluss ist.

Das bedeutet auch, dass jede*r zu jeder Zeit entscheiden kann, auszusteigen – als Zuhörer*in wie als Akteur*in. Und es bedeutet auch, dass ein Wiedereinstieg möglich ist. Es entstehen kurze Sets, lange Sets, Stille, Hingabe ans Innehalten, Raum für provozierende Fragen, manchmal zufälliges Auffinden von Antworten und auch für Wiederholung und Leere. Man verharrt auch an der Grenze des Miteinander-Aushaltens, ohnehin etwas, das wir wieder lernen müssen. Das im Grunde Größte an der Werkstattausgabe der Monheim Triennale aber ist, Zeuge von Prozessen des Suchens, Produzierens, Verwerfens und des Findens zu sein. Final ist dabei Gott sei Dank nichts, auch wenn es ein Ziel gibt: ein Jahr später Commissioned Works zu präsentieren.

Einzelleistungen gibt es auch, aber heraus ragen eher Momente einzelner Kollaborationen. Etwa die ritualisierte „Round-Robin-Runde“, bei der Magisches entsteht, wenn sich die Duopartner*innen durchtauschen. Intimere Gespräche bieten „The Duos“, vor allem Heiner Goebbels‘ Domäne. Er sitzt und steht am, und beugt sich über den offenen Flügel, während Brìghde Chaimbeul (bagpipes), anderntags Muqata’a (electronics) und Ganavya Doraiswamy (voc) mit ihm in Dialog treten. Peter Evans (tp) ist der Jazzimprovisator vom Dienst, er passt in fast jedes Setting. In Erinnerung bleiben die etwa halbstündigen Solo-Performances in der Marienkapelle am Rhein, einem fußläufigen akustischen Spielort für unverstärkte Sets. Besonders mitreißend, fast wie ein Naturereignis: das Solo der amerikanischen Violinistin/Vokalistin yuniya edi kwon.

© Niclas Weber